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Immer noch Klamauk

KLAGENFURT / SERVUS SREČNO KÄRNTENPARK

02/10/20 Das slowenische Wort, das bleibt: Srečno. Es heißt eigentlich glücklich und wird umgangssprachlich ungefähr immer dann gebraucht, wenn einem nichts Verbindlicheres einfällt, im Sinne von: Mach's gut.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Online-Pons nennt als Beispielsatz für Srečno: Unter einem glücklichen Stern geboren sein. Sind Kärntner Slowenen, sind Kärntner generell unter einem solchen geboren? Darüber kann, muss man nachdenken, denn ein politischer Gedenktag steht an: Hundert Jahre Volksabstimmung, zu feiern am 10. Oktober. Haben die Kärntner Slowenen zu feiern? Bis heute sind die Anliegen dieser Minderheit für kleinräumige politische Scharmützel gut. Tief sitzen die Traumata – man lese nach bei Handkes Immer noch Sturm.

Der Beitrag des Stadttheater Klagenfurts zum Polit-Jubiläum ist alles andere als literarisch: eine grelle Revue mit dem Titel Servus Srečno Kärntenpark. Wir finden uns in einem History-Disneyland der Zeitgeschichte. Ein Pavillon mit Aufschrift GrenzlandHeim, ein Rutsche in den Farben der Kärntner Landesflagge gelb-rot-weiß. Es geht bergab, in welche Richtung sonst? Das bestätigen immer wieder jene Wortführer, die zwar selten in Kärntner Tracht dastehen, deren Seelen und vor allem Gehirne aber ganz fest in braun-filziges Tuch gewickelt scheinen: „A Kärntner, der net braun ist, ist ka echter Kärntner.“ Der Witz hat schon einen extrem langen Bart, aber für einzelne Lacher ist er immer noch gut.

Bernd Liepold-Mosser, Filmemacher, Theatermann, kurze Zeit Leiter des Peter-Handke-Archivs in Griffen (mit Handke teilt er sich den Geburtsort) hat sich diese Revue ausgedacht. Ein Panoptikum aus Bundesland-Anekdoten und regionalen Ungereimtheiten. Es geht alphabetisch in Stichworten durch Kärnten-Klischees und Kärnten-Wahrheiten. Davon gäbe es deutlich unangenehmere, als angesprochen werden. Eine Musiknummer über den Finanzskandal um die Hypo-Alpen-Adria-Bank. Na ja. Im History-Park darf der Jüngling vom Magdalensberg nicht fehlen – „ist das der letzte der Buberlpartie"? Wie, wenn man unter „U“ nicht nur beiläufig Ulrichsberg gennannt hätte (ein Treffen ewig Gestriger), sondern auch das Wort „Ustascha“ hätte fallen lassen? Aber das Bleiburg-Treffen kroatischer Kirchenkreise dort, bei dem unverhohlen Ustascha-Abzeichen getragen werden, ist zu peinlich und tagespolitisch brisant. Immerhin: Dass Leopold Wagner, SPÖ-Landeshauptmann in den 1980er Jahren, „solz auf seine Zeit als Hitlerjunge“ war, darf man unterdessen sogar in Kärnten auf der Bühne sagen.

Im Lauf der fünfviertel Stunden wird man trotzdem das Gefühl nicht los, dass Bernd Liepold-Mosser Wort um Wort auf die Goldwaage gelegt hat, um nur ja niemandem weh zu tun. Er beschäftigt sich ja seit zwei Jahrzehnten mit seiner Heimat, und da sind ihm, wie es scheint, so mancher Sketch vom Villacher Fasching und so manche Sager aus Kabarettprogrammen im Gedächtnis geblieben. Vieles ist für diesen Abend zusammen gemanscht, gerade in einer Dosis, von der man annehmen durfte, dass sie niemandem im Zuschauerraum ernsthaft irritieren muss. So ist dann auch der Beifall – im Wortsinn – ausgefallen: ohne Missfallenslaut, aber auch nicht viel mehr als artig.

Ein Problem dieser History-Revue ist, dass gute Ideen gleich wieder versickern. Ein Stückerl Romeo und Julia-Paraphrase: Romeo heißt in Kärnten „Montagutschnig“, und in der Familie der Julia sind die National-Chauvinisten versammelt. Statt die Szene zuzuspitzen, versandet sie, wie so vieles an diesem Abend, dem man einfach mehr Pep und Zielsicherheit wünschte.

Die Zweisprachigkeit ist latentes Thema, und die Voraussetzungen wären gut. Man hätte was aus und mit diesem Ensemble machen können. Die weitaus Prominenteste auf der Bühne, die ehemalige Burgschauspielerin Petra Moizé, ist gebürtige Kärntnerin. Eigentlich heißt sie Petra Kogelnig. Sie hat den Dialekt einwandfrei drauf. Eine andere, Magda Kropiunig, ist eine in Klagenfurt geborene Kärntner Slowenin, die in Ljubljana an der dortigen Schauspielakademie studiert hat. Sie spricht schönstes Bühnen-Slowenisch und darf hier doch nur plakative Allgemeinplätze von sich geben. Eine der Frauen soll im History-Park „die slowenische Großmutter spielen, die jeder Kärntner im Keller hat“. Scheitert am Slowenisch.

In einem Sketch einigt man sich darauf, dass „ Srečno“ sowieso das einzige Wort ist, dass man wirklich braucht. Ein bisserl guten Willen zur Verständigung brauchts eben auch auf der anderen Seite (Achtung, boshafte Ironie!). Wie ist das doch im Pons-Online-Wörterbuch? Ein weiterer Referenz-Satz lautet dort: „Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.“ Das könnte man zum Polit-Jubiläum gut auf die Kärntner Slowenen münzen. Aber auf so was kommt ein in Kärnten gebürtiger Theatermensch, um das Seelenwohl der Mehrheitsbevölkerung bemüht, wohl nicht. Oder er traut sich nicht.

Aufführungen bis 4. November – www.stadttheater-klagenfurt.at
Bilder: Stadttheater Klagenfurt / Karlheinz Fessl
Zur virtuellen Ausstellung Wie Österreichs Grenzen entstanden

 

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