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Nicht nur Futter für einen Star-Kastraten

INNSBRUCKER FESTWOCHEN / MEROPE

09/08/19 Wie so oft bei antiken Stoffen geht es auch hier um mehrfachen (Königs)Mord, um Intrigen und Rache, um Hass und Liebe: Mit Merope von Riccardo Broschi begannen die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Jubel im Tiroler Landestheater für fünfeinhalb Opern-Stunden.

Von Helmut Christian Mayer

Die Geschichte um die griechische Königswitwe Merope aus Messenien ist ziemlich verworren, um nicht zu sagen chaotisch, mit vielen verästelten Handlungssträngen. Jedenfalls wurden ihr Mann, der König Cresfonte, und zwei ihrer drei Kinder meuchlings ermordet. Der Täter gilt als unbekannt. Jetzt, nach zehn Jahren taucht ihr dritter, totgesagter Sohn Epitide auf und das Blatt für den derzeitigen, nur mit Intrigen an die Macht gekommenen König Polifonte, den Auftraggeber der Morde, beginnt sich zu wenden. All dies und viel mehr sieht man in stilisierten, geschmackvollen Kostümen in historisierten, bemalten Kulissen mit Säulen (die Ausstattung stammt von Stefan Dietrich). Sigrid T’Hofft, die als Spezialistin für historische Inszenierungen gilt, hat den Plot nach überlieferten Tanzbüchern mit den damals üblichen, barocken Gesten, die auch handlungsbeschreibend sind, inklusive eines kleinen, stilvoll tanzenden Balletts, dem Corpo barocco, manchmal auch recht statisch aber immer stimmungsvoll in Szene gesetzt.

Das Libretto zur Geschichte stammt von Apostolo Zeno und erfuhr zahlreiche Vertonungen. Aber keine dieser Opern wird heute noch aufgeführt. So kennen selbst Operninsider heute den Namen Riccardo Broschi kaum, horchen aber vielleicht beim zunamen auf: Riccardo Broschi (1698 Neapel-1756 Madrid) wurde schon zu Lebzeiten bloß als jener Komponist wahrgenommen, dessen Opern einzig und allein auf die Person und die einzigartigen Gesangskünste seines Bruders Carlo Broschi alias Farinelli zugeschnitten waren. Musik-Futter für den Star-Kastraten.

Jetzt wollen die Innsbrucker Festwochen mit der 1732 in Turin uraufgeführten Merope das Gegenteil beweisen, nämlich dass Broschi meisterliche, neapolitanische Opern schrieb, mit virtuosen Arien für alle Stimmfächer.

Und das Vorhaben ist zweifellos gelungen: Denn Alessandro De Marchi, der eine eigene, ergänzte Fassung erstellt hat, kann beim neugegründeten Innsbrucker Festwochenorchester, das sachkundige Spezialisten auf Instrumenten vereint, nach anfänglichen kleineren Unstimmigkeiten einen durchgehenden, mitreißenden Drive, viele Farben und eine große Stilsicherheit erzeugen. Und er kann im hochgefahrenen Orchestergraben mit vibratofreien Streichern das unglaublich exzellente Sängerensemble ohne Schwachstellen bestens begleiten: Denn selten hört man gleich drei so außergewöhnlich gute Countertenöre, allen voran David Hansen als Epitide, jene Figur, die Farinelli, dem ja ein Stimmumfang von drei Oktaven nachgesagt wird, verkörperte. Er bewältigt die mörderisch schwere Partie mit atemberaubenden Koloraturen, Trillern und Intervallsprüngen nur mit kleinen Einschränkungen mit Bravour. Aber Hagen Matzeit als Licisco und Filippo Mineccia als „böser“ und angestiftet mordender Anassandro begeistern nicht minder und überzeugen mit großer Stilsicherheit.

Anna Bonitatibus in der Titelpartie, die mit einer historisierten, prachtvollen, roten Robe, riesigen Halsketten, einem goldenen Sonnenhaarkranz und roten Federn, eben wie eine richtige Königin ausgestattet ist, fasziniert mit kraftvollem und nuancenreichem Mezzosopran. Vivica Genaux in der Hosenrolle des Trasimede weiß mit ungemein flexiblem Mezzo und bombensicheren Koloraturen zu begeistern. Auch Arianna Venditelli als entzückende Argia gefällt außerordentlich gut mit ihrem schönen Sopran. Kurzfristig wegen Krankheit eingesprungen ist Carlo Alemanno als Polifonte, der am Premierenabend (7.8.) im Orchestergraben achtbar singt, während auf der Bühne der Schauspieler Daniele Berardi die szenische Gestaltung übernommen hat.

Warum allerdings bei der Produktion noch zusätzliche Ballettmusik von anderen Komponisten der Zeit eingefügt wurde, bleibt unerfindlich. Denn dadurch wurde die ohnedies schon lange Oper auf etwa fünfeinhalb Stunden gestreckt. Man braucht gutes Sitzfleisch und das Werk.

Jubel für einen vielversprechenden Beginn der Innsbrucker Festwochen, die am gleichen Vormittag von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Schloss Ambras eröffnet wurden.

„Merope“ ist noch am 9. und 11. August im Tiroler Landestheater zu sehen, ebenfalls dort hat am 24. August „La Dori“ von Pietro Antonio Cesti Premiere (Wiederholung am 26. August). Händels „Ottone“ wird am 18., 20. und 22. August im Innenhof der Theologischen Fakultät gezeigt – www.altemusik.at/de
Bilder: Innsbrucker Festwochen / Rupert Larl

 

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