Der Prophet, unerhört

THEATER AN DER WIEN / ELIAS

25/02/19 Dass Mendelssohns Elias opernhafte Züge eignen, wird einem mit der aktuellen Neuproduktion im Theater an der Wien erst richtig bewusst. Der Spanier Calixto Bieito gibt mit einer personenzentrierten Regie sein Debüt im Theater an der Wien.

Von Oliver Schneider

Calixto Bieito zeigt den schlußendlich erfolglosen Kampf des Propheten Elias, das jüdische Volk vom Glauben an den richtigen Gott zu überzeugen, in minimalistischen, auf den Propheten und das Volk zentrierten Bildern. Christian Gerhaher ist dieser immer wieder bei Gott und seinen Abgesandten Kraft suchende Elias, der mehr deklamierend als singend den toten Sohn der klagenden Witwe wieder zum Leben erweckt oder Jahwe um Regen bittet.

Aber Elias ist auch ein Mensch der Gewalt, der über Israel eine verheerende Dürre kommen lässt, weil die Juden in ihrem Glauben so wankelmütig sind. Angst flösst dieser Elias ein, wenn er seinen Dürre-Fluch zu Beginn des pausenlosen Abends ausstösst. Fast schon Teuflisches geht von ihm dann aus, wenn die Juden Baal um Hilfe anflehen, wozu Elias sie immer eindringlicher und wie ein dem Irrsinn Verfallener anstachelt. Und das Volk reckt die Arme nach ihm aus, denn die Menschen flehen förmlich um sichtbare Gotteszeichen. Noch mehr wünschen sie sich aber einen Führer, der Elias nicht sein will.

Für diese szenische Produktion bietet sich aktuell wohl kein anderer Sänger so an wie Christian Gerhaher. Dass er sich am Schluss überflüssigerweise mit einem Feuerzeug anzünden muss, nachdem Obadjah (stimmschön Maximilian Schmitt) ihn mit Benzin übergossen hat, kann man bei der sonstigen Anlage der Rolle ausser Betracht lassen. Jahwe ist am Berg Horeb an Elias einfach vorbeigezogen. Der Prophet fühlt sich, von Selbstzweifeln zerfressen und endgültig gescheitert.

Der zweite große Protagonist des Abends ist das Volk, das der Arnold Schoenberg Chor (Einstudierung: Erwin Ortner, Roger Diaz Cajamarca) mit mächtigen Klang und vor allem engagierter szenischer Einbringung gestaltet. Auch wenn Calixto Bieito das Volk oft nur an der Rampe stehen lässt, geht von den Sängerinnen und Sängern in diesen Momenten eine überwältigende Wirkung aus. Wenn sie Jahwe in ihren Alltagskleidern aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts (Kostüme: Ingo Krügler) um Hilfe anflehen oder wenn sie die christliche Kirche aus Karton (Bühne: Rebecca Ringst) zerstören, weil Gott sie nicht erhören will, wirken sie in ihrem Tun so zeitlos. Die Menschen schwanken in ihrem Glauben. Hauptsache, Hilfe ist sichtbar. An die zerrissenen Kartonreste klammern sie sich, denn vielleicht hilft der jüdische/christliche Gott ja doch schneller als Baal. Wenn ihnen jemand diese Reste wegnehmen will, wehren sie sich mit Hand und Fuss.

Neben Elias und dem Chor sind die übrigen Protagonisten, allesamt sehr gut besetzt, nur Stichwortgeber. Maria Bengtsson als Witwe, Kai Rüütel als Engel, Ann-Beth Solvang als Königin, Carolina Lippo als Seraph und einige mehr erfüllen die unterschiedlichen Herausforderungen subtil

Bieito inszeniert den Abend nah am Text, sodass es, nachdem Eliasʹ Dürre-Fluch seine Wirkung verliert, wirklich regnet. Elias schneidet sich im zweiten Teil auch die Pulsadern auf, nachdem die Königin das Volk erneut gegen Elias aufstachelt. Doch bedrohlich ist das auch für das Volk, über das sich Gitterroste von oben herabsenken.

Die musikalische Leitung des Abends liegt in den Händen von Jukka-Pekka Saraste, der wie Bieito mit dieser Produktion sein Debüt am Theater an der Wien gibt. Er waltet am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters mit Sinn für den großen Bogen und Durchsichtigkeit, weiss, wann die Musik kraftvoll und bedrohlich im Vordergrund stehen muss und wann der Vorrang den ohne Ausnahme textverständlich singenden und deklamierenden Solisten gebührt.

Weitere Vorstellungen am 25. und 27. Februar. Die nächste Premiere im Theater an der Wien gilt am 16. März Peter I. Tschaikowskys Die Jungfrau von Orleanswww.theater-wien.at
Bilder: Theater an der Wien / Werner Kmetitsch