Ein Meister in vielen Stilen

KREMS / 10 JAHRE ERNST KRENEK FORUM

16/10/18 Das „Ernst Krenek Forum Krems“ lud am Samstag (13.10.) zum 10-Jahr-Jubiläum. Zu erleben war die ganze Vielfalt des Ernst Krenek, von der Spätromantik bis zur Elektronik. Und dies in den wundersamen Räumen des ehemaligen Miniritenklosters in Stein. Ein Fest für die Musik des 20. Jahrhunderts.

VON GOTTFRIED FRANZ KASPAREK

Petra Hinterholzer, in Salzburg bestens bekannt, ist die neue, engagierte und phantasievolle Generalsekretärin des Forums. Der Geiger Ernst Kovacic, Vorsitzender der „Ernst Krenek Institut Privatstiftung“, ist ihr leidenschaftlicher Mitstreiter. Beide strahlen liebevolle Begeisterung für den österreichischen Komponisten aus, verbunden mit profunder Sachkenntnis. Kreneks Musik ist in den Konzertsälen ein seltener Gast geworden, sieht man vom „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ einmal ab. Der Reigen kleiner, feiner Konzerte im Museum und in der atmosphärischen Minoritenkirche war ein eindeutiges Plädoyer für einen Werkkomplex besonderer Art. Von schwelgerischer Romantik über Neue Sachlichkeit zu sehr persönlich geformter Zwölftonmusik und Synthesizer-Experimenten reichte die klingende Palette. Ähnlich wie Strawinsky blieb der Wiener Offizierssohn, aufrechte Kämpfer gegen die Nazis und freiwillige Emigrant freilich immer originell, welche Ästhetik er auch gerade bevorzugte.

Alle Konzerte wurden eingeleitet im Freien, im vom „Goldenen Oktober“ überstrahlten Minoritenhof. Dafür hat Kurt Schwertsik eine „Fanfare for an Uncommon Man“ für das Tonkünstler-Bläserquintett geschreiben. Eine richtige Festfanfare ist dies, mit jener launigen Würze, die ein Markenzeichen des Komponisten ist. Den Anfang machten dann die pointenreichen Bläser von „Federspiel“ und die Diseuse Anna Clare Hauf mit einem virtuosen „Jonny spielt auf“- Medley, also mit Melodien aus der „Jazz-Oper“, die viel mehr Künstlerdrama ist und Krenek im Repertoire verewigen wird. Später machte ein entzückender Kurzfilm über ein famoses Jugendprojekt von Veronika Großberger große Lust auf den Einakter „Das geheime Königreich“. Herrlich, wie ein Volksschüler aus Paudorf auf die Frage, was ihm dabei besonders gefallen habe, einfach sagte: „Musik!“ Nicht immer ist Kreneks Musik so eingängig wie im noch romantisch grundierten Jugendstück. Sie kann ganz schön spröd in einem Klassizismus „extra dry“ verweilen wie im Concerto grosso Nr. 1, dargeboten vom einsatzfreudigen „Modern Art Ensemble“ der Musikschule Krems. Sie kann, noch in späten Jahren in den USA, zu einer brillanten Fusion aus Barock, Minimalismus und ironischer Romantik finden. In Beispielen aus dieser „School Music“ erfreuten Lehrende und Studierende der Musikschule mit Flöten, Oboe und Klavier – alle Achtung! Die Stücke sind oft vertrackt in ihrem Hintersinn.

Entdeckungen sonder Zahl sind im reichen Kammermusik-Schaffen Kreneks zu machen, von einer süffigen, fast wie Korngold klingenden Triophantasie von 1929 zu einem zwölftönigen, aber gleichzeitig hoch expressiven Streichtrio von 1949. Dafür setzte sich das „Ernst Krenek Ensemble“, vertreten durch die hochkarätigen Mitglieder Hanna Weinmeister, Geige, Tatjana Masurenko, Viola, Dorothea Schönwiese, Cello und Anthony Spiri am Flügel, mit wahrer Passion und Präzision ein. Nachzuprüfen auf CD. Das große Finale in der Kirche bildete das „Reisebuch“, immer wieder erstaunlich in seiner Zeitlosigkeit. Kreneks Hommage an Schubert verblüfft auch heute noch nicht nur mit harmonischen Abenteuern, sondern ebenso textlich. Der Polyhistor Krenek war auch ein ironischer Poet von Format. Acht der Lieder hat er selber instrumentiert, sensibel und fein abgestimmt für ein Kammerorchester. Till Alexander Körber hat diese Fassung mit Stilgefühl komplettiert. Die Uraufführung mit dem Anton Webern Kammerorchester der Wiener Musikuniversität unter HK Grubers befeuernder und absolut kompetenter Leitung war ein Erfolg. Vor allem auch für den Tenor Alexander Kaimbacher. Mit tiefem Gefühl und parodistischer Zuspitzung, mit lustvoller Dramatik und innigem Verweilen gestaltet dieser perfekt wortdeutliche Singschauspieler eine Reise, die in lichte Bergeshöhen und ins herbstliche Weinland führt - aber eben auch zu den Totenschädeln im Hallstätter Karner, in die Abgründe der österreichischen Seele und zur, mit Verlaub, Idiotie eines nur mehr konsumierenden, nicht mehr reflektierenden Massentourismus.

Niederösterreich ist ein guter Boden für Kunst und Kultur aller Art und die Politik steht dahinter. Es möge so bleiben. Hannes Eichmann, der ein Gespräch über Krenek wissend, geistreich und kreativ moderierte, hat Krenek anno 1985 in Salzburg gefragt: „Was halten Sie von der neuen Einfachheit?“ – Kreneks Antwort: „Die alte Kompliziertheit ist mir lieber.“ Komplexes bringt man den Menschen am besten eingebettet in Zeit und Raum näher, durchaus versehen mit der Würze des Narrativen. Goldene Worte des Diskutanten Michael Kaufmann. Musikvermittlung wie an diesem Krenek-Tag, spielerisch, fundiert, aber nie von des Gedankens Blässe allzu angekränkelt – so soll sie sein.

Ernst Krenek Forum - www.krenek.at
Bilder: Ernst Krenek Forum/Walter Skokanitsch