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Kein Entkommen von Blaubarts Burg

OPER GRAZ / ARIANE ET BARBE-BLEUE

06/03/18 Sind es Untote? Gespenster? Oder doch die lebendig eingekerkerten Ehefrauen von Barbe-Bleue? Die „aktuelle“ Ehefrau Blaubarts – die selbstbewusste Ariane – findet hinter der verbotenen Tür ihre bis zum Erlöschen geschwächten Schwestern und versucht, Lebenswillen, Aufbegehren und Freiheitswunsch in ihnen zu wecken: „Ariane et Barbe-Bleu“ in Graz ist Suspense auf der Opernbühne.

Von Heidemarie Klabacher

Vom ersten Augenblick an herrscht Hochspannung auf der unheilvoll rotierenden schräg aufragenden Drehbühne von Katrin Lea Tag in der schnörkellosen Regie von Nadja Loschky. Schon die Ankunft von Ariane und ihrer getreuen Amme auf Blaubarts Schloss wird von Hubert Schwaiger in erhellendes und zugleich alles verschleierndes Licht getaucht. Nichts ist verborgen, nichts soll vor Ariane, der neuen Herrin auf Blaubarts Burg verschlossen bleiben - außer dem letzten Zimmer natürlich. Und gerade deswegen ist alles rätselhaft und schwebend, weht Gefahr herauf aus Abgründen des Geistes und der Seele.

Sind die Frauen Projektionen von Arianes verdrängten Wünschen und Begierden, also Facetten ihrer eigenen Persönlichkeit? Sind sie die leibhaftigen Opfer oder doch nur Spiegelungen von Blaubarts abgründigen Perversionen? Ist Ariane die erste emanzipierte und an der Realität scheiternde Frauenfigur der Operngeschichte - oder doch nur eine weitere an der Liebe zu Grunde gehende Tragödin?

Die Opernrarität „Ariane et Barbe-Bleue“ von Paul Dukas auf ein Libretto nach Maurice Maeterlinck unterscheidet sich inhaltlich in zahlreichen Details von der bekannten Blaubart-Oper Bela Bartóks auf den Text von Béla Balázs. Funkelnde Smaragde und Saphire warten etwa statt blutiger Waffen und Blumen auf die Schlossherrin. Die Motive sind dennoch ähnlich. Hinter der letzten - der einzigen verbotenen Türe bei Dukas - hausen wie bei Bartók die Vorgängerinnen von Blaubarts neuester Gemahlin. Für die ihren Einzug auf der Burg beobachtenden Bauern ist Ariane zunächst die „Schönste von allen“, das bemitleidenswerte nächste Opfer. Dass dieses sich weigtert, die ihm zugedachte die Opferrolle anzunehmen und es Ariane gelingt, sich freizukämpfen weckt freilich in den niederen Instinkten archtypische Ängste vor einer selbstbewussten Frau...

„Ariane et Barbe-Bleue“ ist im Grunde eine Oper für eine Sopranistin: Manuela Uhl gibt in der Grazer Aufführung eine darstellerisch wie sängerisch souveräne Ariane. Die großen geradezu romantischen Linien der Partie – Hoffnung und Lebenswillen sind die Antriebsfedern dieser großen Frauenfigur – führt sie technisch mit größter Virtuosität über die Lagen und gestaltete sie klanglich prächtiger Fülle bei facettenreicher Leichtigkeit.

Aus der Spannung zwischen Arianes hoffnungsvollem, scheinbar naiv selbstbewusstem Auftreten im Gegensatz zur bedrohlichen Geschichte des Ortes, des mörderischen Rufes ihres Gatten und der spürbaren Bedrohung entwickelt vom ersten Moment an Suspense wie im Psychothriller.

Dem schillernden Klang der 1907 uraufgeführten Oper von Paul Dukas - mehr überirdisch als jenseitig – eignet noch nichts „Modernes“, erinnert auch nur ganz bedingt da und dort an Debussy. Dennoch ist es im ersten Teil spannende facettenreiche Musik mit geradezu „spektraler“ Anmutung mit raffinierten Instrumentierungseffekten, nicht nur aber ganz besonders im Holzbläsersatz.

Roland Kluttig leitete bei der Premiere das Grazer Philharmonische Orchester mit feinem Sinn für die farbliche Opulenz der Partitur - bei ebenos klarem Gespür für die daraus resultierende Notwendigkeit von Klarheit und Transparenz. Schillernde Holzbläser-Effekte und bedrohlich in der Tiefe pulsierende rhythmische Momente kamen in dieser klugen Lesart zu stupender Wirkung. Der zweite Teil der Oper ist, auch wenn die Handlung sich zuspitzt, musikalisch weitaus harmloser, in der Komposition und Instrumentation nicht ganz vom gleichen Niveau. Dennoch hält die Spannung der hervorragenden Produktion bis zum Ende.

Die grandiose Mezzosopranistin Iris Vermillion ist als Amme fast immer auf der Bühne präsent als dunkle Ahnung gegenüber Arianes heller Hoffnung. Die Partie des Barbe-Bleue besteht nur aus einigen wenigen gesungenen Zeilen – dennoch verbreitet Wilfried Zelinka den ganzen Abend über eine dichte Aura von Faszination, Gewalt und Verführung.

Die gefangenen „Schwestern“ bilden einerseits eine durch Angst und Gewalt psychisch deformierte homogene Gruppe in identischen Kleidern. Andererseits gelingt es jeder einzelnen der sechs Sängerinnen in den unterschiedlich groß ausfallenden Partien differenzierte Porträts zu gestalten: Anna Brull als Sélysette, Yuan Zhang als Bellangère, Sonja Šarić als Ygraine, Tetiana Miyus als Mélisande, Maria Kirchmair als Alladine und Lisa Caligagan als Georgette.

Sie überwinden ihr fremdbestimmtes Duckmäusertum und lassen sich auf die Fluchtpläne Arianes ein. Doch wer von ihnen wird Fluch und Bann über Blaubarts Burg überwinden? – Eine spannende Begegnung mit einem komponierten Psychothriller, den die Oper Graz ihrem Publikum da beschert. Aufregend!

Ariane et Barbe-Bleue - nächste Aufführung  am Donnerstag (8.3.) - weitere Aufführungen bis 22. April jeweils um 19.30 in der Oper Graz  - www.oper-graz.com
Bilder: Oper Graz / Werner Kmetitsch

 

 

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