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„Dein Hähnchen bin ich“

REST DER WELT / WIEN / PEER GYNT

20/02/17 Still ist es geworden um den 1983 verstorbenen, im Dritten Reich wie in der Bonner Republik geschätzten Komponisten Werner Egk. Seine 1938 uraufgeführte zweite Oper „Peer Gynt“ nach Henrik Ibsen, eine sehens- und hörenswerte Rarität im Theater an der Wien.

Von Oliver Schneider

Peter Konwitschny hat Regie geführt, das Werk (fast) vollständig aus dem schwierigen historischen Kontext gelöst und auf die aktuelle Bedeutung abgeklopft.

Peer Gynt ist ein Tagträumer, der eines Tages Kaiser der Welt sein will und dessen rast- und ruhelose Biographie Ibsen erzählt. Egk hat dazu ein Kaleidoskop aus den in seiner Zeit aktuellen Musikströmungen in spätromantischer Nachfolge geschaffen. Man hört viel Korngold, Krenek, aber auch amerikanische Tanzmusik und Wiener Schule. Vieles wirkt plakativ und grell. Konwitschny hat dafür ebensolche Bilder in Brechtscher Manier mit scharf gezeichneten Charakteren geschaffen: Peer ist der Außenseiter, über den sich die Angepassten (in an die Entstehungszeit erinnernden Kleidern) lustig machen und auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Peer möchte die ebenso einsame Solveig für sich gewinnen, die Konwitschny von Anfang an als Blinde zeichnet.

Doch noch ist es zu früh, denn Peer ist mehr an Ingrid, der Tochter des Trollkönigs, interessiert. In der Trollwelt holt Konwitschny unsere Realität auf die Bühne. Die Trolle sind die Konsumwütigen, die in den Kaufhäusern im Dauer-„Sale“ nach knallbunten Kleidchen und anderen Schnäppchen suchen. Ihr Trollkönig hat viel von einem seit diesem Jahr im Amt befindlichen westlichen Staatschef (mustergültig Rainer Trost), Besseres verdienen sie nicht. Vor allem an diesem Bild entzündete sich die Debatte über Egks Anbiederung an das NS-Regime, denn musikalisch zeichnet er die Trollwelt mit Anklängen und Zitaten damals „entarteter Musik: von Kurt Weill über Jazz bis zu Offenbachs berühmtem Can-Can. Hier will Peer nicht bleiben. Stattdessen baut er sich und Solveig eine Holzhütte im Wald. Doch der Drang zu Abenteuern und Erfolg juckt ihn wieder in der Nase. Er wird Reeder in Südamerika, um dort das große Geld zu machen. Helmut Brades hat für die neun Szenen einen funktional-einfachen Bühnenraum geschaffen, in dem eine Holzhütte, Schiff-Prospekte und eine Hauskonstruktion, die mal Kaufhaus, mal Altersheim ist, die Handlungsorte andeuten.

In der südamerikanischen „Bananenrepublik“, in der der Präsident sich in der Badewanne spazieren fahren lässt, lässt sich Peer von drei gewitzten Kaufleuten um sein Gold bringen (sehr agil Michael Laurenz, Zoltán Nágy und Igor Bakan). In der Hafenkneipe wird er Zeuge, wie geile Matrosen sich an einem kleinen, auf dem Schanktisch posierenden Mädchen vergreifen, während er selbst sich mit dem simplen Lied „Dein Hähnchen bin ich“ an die Kellnerin heranmacht.

Bo Skovhus in der Titelpartie liefert eine Charakterzeichnung von großer Eindringlichkeit. Vom kräftigen Twen entwickelt er sich zum Mann in besten Jahren, der am Ende seines Lebens geläutert zu seiner Jugendliebe zurückkehrt. Im grauen Endbahnhof, dem Reich der Untoten, in dem Geld, Konsumgüter und vermeintlicher Erfolg nichts mehr zählen, fleht seine Mutter Aase (berührend Natascha Petrinsky) „Mr. President“ um einen letzten Aufschub für ihren Sohn. Seine Heimkehr zur mittlerweile auch ergrauten Solveig führt ihn ins Altersheim. Erst hier nimmt Konwitschny Bezug auf die Rolle Werner Egks in der Musikgeschichte, indem er und sein Ausstatter die Mitbewohner im Heim als im Krieg Verfolgte oder Vertriebene auftreten lassen.

Leo Hussain und das blendende ORF Radio-Symphonieorchester Wien bringen die unterschiedlichen Klangwelten der neun Bilder fabelhaft zum Leuchten. Egk fordert die Solisten über weite Strecken deklamatorisch und bietet ihnen wenige Momente, um sich auf Linie zu profilieren. Skovhus ist in der hoch expressiven Rolle des Peer Gynts besonders gefordert, steht er doch fast permanent auf der Bühne. Nicht viel anders ergeht es Maria Bengtsson, die die Solveig und die Rothaarige, Trollkönigs Tochter, in Personalunion ebenso souverän gestaltet. Immerhin darf sie den Abend versöhnlich lyrisch beenden.

Weitere Vorstellungen am 22., 25., 27. Februar und 1. März – www.theater-wien.at
Bilder: Theater an der Wien / Werner Kmetitsch

 

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