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Der stolze Sklave von Velásquez

REST DER WELT / WIEN / GEÄCHTET

29/11/16 Ein unterdrückter Schrei geht durchs Publikum, wenn Amir seine Frau mit dem Gesicht gegen das Bücherbord knallt. Einmal Moslem, immer gewalttätig gegen Frauen? Quatsch.

Von Reinhard Kriechbaum

Amir, der erfolgreiche New Yorker Rechtsanwalt, hat seine Karriere und sein Erfolgreich-Amerikaner-Sein durch eine hyper-perfekte Anpassung bis zur Selbstverleugnung durchgezogen. Kaum einer geht mit dem Islam so streng ins Gericht wie er. Sogar seinen Namen hat er geändert, von Abdullah zu Kapoor. Er gilt jetzt als Inder und nicht als Pakistani. Klappt natürlich nicht, die Sache fliegt auf, die Teilhaberschaft am Rechtsanwaltsunternehmen kann Amir in den Kamin schreiben und seine Frau, eine Künstlerin, hat's mit dem Ausstellungskurator getrieben. Beim gepflegten Abendessen eskaliert die Situation.

Für „Geächtet“ hat der US-amerikanische Autor Ayad Akhtar 2013 den Pulitzer-Preis bekommen, in der vergangenen Saison hat das Stück vom Schauspielhaus Hamburg aus Deutschland erobert und ist von „Theater heute“ gleich zum besten ausländischen Stück gekürt worden. Nun also die österreichische Erstaufführung im Burgtheater. Am 10. Dezember kommt es im Grazer Schauspielhaus heraus (Regie Volker Hesse).

„Geächtet“ passt eben so wunderbar in die Zeit. Das reiche New Yorker Intellektuellen-Milieu sichert eine gewisse boulevardeske Angenehmheit, auch wenn das Thema bedrohlich ernst ist. Ayad Akhtar hat ethnisch denselben Hintergrund wie seine Hauptfigur. Er weiß um die gläserne Decke, an die Ausländer nicht nur in den USA stoßen. Und er weiß um die Political correctness, gegen die er mit seinem sich zur Tragödie wendenden Konversationsstück gerade so weit verstößt, dass Amerikaner leicht irritiert sind. Hierzulande ist man von Rechtsparteien heftiger indoktriniert und empfindet das Stück als harmloser, die Figuren als klischeehafter, als sie vermutlich beim US-Publikum ankommen.

Dem steuert im Burgtheater Regisseurin Tina Lanik gegen, indem sie den Figuren buntere Psychologiekostüme verpasst. Fabian Krüger ist Amir, der für sein Anpässlertum damit bezahlt, dass er selbst im Wohnzimmer (Ikea-Design liegt nahe für die Ausstattung) ungelenk herumstakst. Selbstsicher sieht anders aus. Seine Frau Emily (Katharina Lorenz) kann nicht viel anfangen mit dem hölzernen Karrieristen, und er mit ihr noch weniger. Sie balanciert ob des Dauerfrusts in der Partnerschaft am Rande der Hysterie. Auf ihre knappen Kleidchen reagiert nur der Ausstellungskurator Isaac (Nicholas Ofczarek). Dem schlüpfrigen Kerl täte man eher keinen Gebrauchtwagen abkaufen. Kunst meinetwegen. Dessen Frau Jori (Isabell Redfern) ist nur Stichwortbringerin. In dieser Viererkonstellation also versucht die Regisseurin, Plauderton und Eskalation gleichermaßen plausibel zu machen. Das unterhält weder besonders, noch bedrückt es nachhaltig.

Der Autor scheuert und kratzt an den vermeintlichen Gewissheiten wohlmeinender Gutmenschen, aber das tut nicht wirklich weh. Die Regisseurin kann an dem wenig provokanten Kurs wenig ändern. Bedrückend höchstes die fünfte Person im Spiel: der junge Abe (Christoph Radakovits), Amirs Neffe. Er fragt am Ende, ob Mohammed wohl wirklich Prophet geworden wäre mit dem Ziel, sich anzupassen an eine Gesellschaft, von der Leute wie Amir nie das bekommen werden, was ihnen gerechterweise zustünde. Der Fundamentalismus-anfällige junge Mann wird für sich die subjektiv richtige Folgerung ziehen, und da müssten wir alle objektiv laut aufschreien. Da wäre man, nach gut hundert Minuten, endlich beim Thema: Kann man Religion und kulturelle Verfasstheit einfach zugunsten der Assimilation ablegen oder verleugnen? Aber da ist der Text zu Ende und Amir positioniert sich hinter einem Bild so wie die Figur aus einem Gemälde von Velásquez, um das in der ersten Szene gestritten wurde: stolz, aber Sklave.

Aufführungen bis 27. Dezember – www.burgtheater.at
Bilder: Burgtheater / Georg Soulek

 

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