Heiratsgut und Fluchtgrund

HINTERGRUND / MUSIKTAGE MONDSEE

24/08/22 Felix Mendelssohn-Bartholody steht im Zentrum der Musiktage Mondsee. Ins rechte Licht gerückt die Komponistin Fanny Hensel Mendelssohn – mehr als Schwester eines Wunderkindes. Der künstlerische Leiter Matthias Lingenfelder lud mit Elisabeth Leonskaja, Benjamin Schmid und Ariane Haering, Julian Bliss, Herbert Schuch oder dem Schumann Quartett namhafte Ausführende.

Von Heidemarie Klabacher

Felix als wie Fanny hatten erstklassige Lehrer, erhielten sie Kompositionsunterricht bei Carl Friedrich Zelter und studierten bei der Pianistin Marie Bigot und und dem Pianisten Ludwig Berger. Nur: Der Bruder „durfte“ ein Star werden, die Schwester nicht. Fanny Mendelssohn durfte ihr Talent nicht öffentlich ausleben, schon gar nicht zum Beruf machen. Die ältere Schwester, hatte das gleiche musikalische Talent wie der jüngere Bruder, stand aber stets in dessen Schatten. Vater wie Bruder waren gegen eine Drucklegung ihrer Werke. Konkurrenzdenken? Wahrscheinlich weniger. Vor allem galt es als „unschicklich“ für eine Frau, eigenes Geld verdienen zu wollen. Für Mädchen war Musik eine Aktie auf dem Heiratsmarkt, also Heiratsgut und Zierde. Noch über das 19. Jahrhundert hinaus war für junge Frauen aus gutem Hause eine Karriere, sei es als Solistin an einem Instrument oder als Komponistin nicht vorgesehen.

Auch nicht für Fanny Mendelssohn, verheiratete Hensel, die in 41 Jahren 460 Werke komponierte. Für Schublade und Hausgebrauch.

Wenigstns einige Werke Fannys erklingen bei den Musiktagen Mondsee, das Klaviertrio d-Moll op. 11, die Nummern 1 und 3 aus den Klavierstücke op. 6 sowie das Adagio für Violine und Klavier. Von Felix ist es am 30. August das Streichqartett f-Moll op. 80. Es spielen Matthias Lingenfelder Violine, Niklas Schmidt Violoncello, das Schumann Quartett und Herbert Schuch. Mijou Kovacs liest aus Peter Härtlings Liebste Fenchel!

Dass seiner Schwester eine Karriere verwehrt bliebt, ändert nichts am außerordentlich früh sich zeigenden Talent des Bruders. Nicht zu unrecht als Wunderkind gehypt, komponierte Mendelssohn mit 15 Jahren etwa seine Bratschensonate. Auch Erich Korngold war ein Frühstarter, freilich getoppt von Mozart...Unter dem Titel Wunderkinder steht das Konzert am 29. August in Mondsee. Benjamin Schmid und Matthias Lingenfelder Violine, Veronika Hagen Viola, Quirine Viersen Cello und Ariane Haering Klavier spielen Mendelssohn Bartholdys Sonate für Viola und Klavier c–Moll, Korngolds Suite für zwei Violinen, Violoncello und Klavier linke Hand sowie Mozarts Klavierquartett Es-Dur KV 493. Mit Khatia Buniatishvili, Elisabeth Leonskaja, Ariane Haering und Herbert Schuch sind übrigens drei Meisteinnen und ein Meister des Klaviers am Mondsee vertreten.

Kein Komponist ist einerseits vor Missbrauch andererseits vor Verfemung durch totalitäre Regime sicher. Wie so viele Komponisten war auch Mendelssohn Bartholdy im Dritten Reich verboten. Jüdische oder sonst unliebsame Komponisten wurden geächtet, vertrieben oder wie Viktor Ullmann im KZ ermordet. Dieses dunkle Kapitel ist gut aufgearbeitet, immer wieder kommen verfemte oder vertriebene Komponistinnen und Komponisten, wie in letzer Zeit etwa Mieczysław Weinberg, zu späten Ehren. Unter dem Motto Judaica erklingen am 31. August in Mondsee Werke von jüdischen Komponisten: Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen, Ignaz Moscheles Zehn Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier von Bacht mit einer hinzukomponierten Violoncellostimme, Ullmanns drittes Streichquartett, Bernsteins Sonate für Klarinette und Klavier. Und – noch einmal Mendelssohn Bartholdy – dessen zweites Streichquintett. Es spielen Veronika Hagen Viola, Niklas Schmidt Violoncello, Julian Bliss Klarinette, das Schumann Quartett und Herbert Schuch Klavier.

Mit Khatia Buniatishvili, Elisabeth Leonskaja, Ariane Haering und Herbert Schuch sind gleich drei Meisteinnen und ein Meister des Klaviers am Mondsee vertreten. Übrigens gibt auch noch andere Absage-Gründe als Corona: Die Bratschistin Nobuko Imai hat sich ein Bein gebrochen und kann nicht nach Mondsee kommen. In den Konzerten am 29. und am 31. August wird an ihrer statt Veronika Hagen, im Schlusskonzert am 3. September wird Sindy Mohamed spielen. Die Programme bleiben unverändert.

Zur Eröffnung der Musiktage Mondsee am Freitag (26.8.) spielt Khatia Buniatishvili unter anderem Virtuoses von Liszt und Chopin, berühmten Pianisten, denen Mendelssohn in Paris begegnet ist. Zum Finale am 3. September stehen Werke von Komponisten auf dem Programm, die Mendelssohn zu seinen Vorbildern zählte: Schuberts Streichtrio B-Dur D 58, Beethoven Streichtrio G-Dur op. 9/1 und Schumanns Klavierquartett Es–Dur op. 47. Es spielen Matthias Lingenfelder Violine, Sindy Mohamed Viola, Niklas Schmidt Violoncello und Elisabeth Leonskaja Klavier.

Musiktage Mondsee – 26. August bis 3. September – www.musiktage-mondsee.at
Bilder: MTM /Nikolaj Lund; www.leonskaja.comAriane-Haering-Schmid; Harald-Hoffmann; Gavin-Evans-Sony-Classica