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Auf Rossinis Spuren im Schwarzwald

REST DER WELT / WILDBAD / SIGISMONDO

19/07/16 Der 1814 uraufgeführte, musikalisch abwechslungsreiche, leider aber librettoschwache „Sigismondo“ mit Margarita Gritskova in der Titelpartie ist die szenische Hauptproduktion bei Rossini in Wildbad 2016.

Von Oliver Schneider

Erreicht man nach einer etwas umständlichen Anreise das verträumte Bad Wildbad im Nordschwarzwald, fühlt man sich in die achtziger Jahre der alten BRD zurückversetzt. Irgendwie scheint die Zeit hier stehengeblieben zu sein, was einen gewissen Charme hat. Nicht so jedoch beim seit 1989 bestehenden Festival „Rossini in Wildbad“, das sich längst als ernsthafte Konkurrenz zum renommierteren Pendant in Pesaro etabliert hat und Besucher aus ganz Europa anzieht.

Kleiner besetzte Werke werden im aufwändig restaurierten königlichen Kurtheater gespielt, für die größeren Opern steht die im Kurpark gegenüber liegende Trinkhalle zur Verfügung, die vor allem für reine Instrumentalmusik eine ausgezeichnete Akustik bietet. Das durfte man in der Premiere von „Sigismondo“ bei der Ouvertüre erleben. Rossini komponierte das Werk 1813 und war schon mit „Tancredi“, „L’Italiana in Algeri“ und „Il Turco in Italia“ erfolgreich gewesen. „Sigismondo“ war allerdings von Anfang an ein Misserfolg. Nicht unverständlich bei dem Libretto: Der polnische König Sigismondo hat seine Frau Aldimira wegen angeblicher Untreue zum Tode verurteilt. Seine Reue treibt ihn fast in den Wahnsinn. Doch zum Glück wurde Aldimira vor dem Henker gerettet, sodass das Paar nach diversen Verwicklungen wieder zusammen findet.

Festivalleiter Jochen Schönleber hat den Abend in Szene gesetzt. Spiegelnde Wände, eine schwarze Ledercouchgarnitur, viel ist auf der kleinen Bühne ohnehin nicht möglich. Schönlebers Protagonisten leben ihre Gefühle und Aversionen als unsere Zeitgenossen aus, was die Distanz zwischen Bühne und Zuschauer an dem intimen Spielort noch zusätzlich reduziert.

Margarita Gritskova, Ensemblemitglied der Staatsoper und ab 16. August wieder der Cherubino in Mozarts „Figaro“ in Salzburg, ist als Sigismondo das musikalische Zentrum der Aufführung. Für einmal darf man erleben, wie groß der Stimmumfang der jungen Russin und vor allem wie substanzreich ihre Tiefe ist. Sie weiß mit ihrer flexiblen Stimme, die sie auch im richtigen Moment zurücknehmen kann, und blitzblanken Koloraturen für sich einzunehmen. Auf sie hat Jochen Schönleber, der mittlerweile seit 25 Jahren im deutschen Rossini-Mekka wirkt, seine Personenführung fokussiert; wie Sigismondo von seinem schlechten Gewissen gequält wird, seine Selbstsicherheit dahinschwindet und er zu einem gebrochenen Mann wird.

Die verstoßene Gattin Aldimira (Maria Aleida mit leicht ansprechendem, etwas soubrettenhaftem Koloratursopran, dem man im Laufe des Abends mehr Farben wünschen würde) überlebt beim weisen Zenovito im Wald (mit aristokratischem Bass Marcell Bakonyi). Bakonyi schlüpft dann im zweiten Akt in die Rolle von Aldimiras Vater Ulderico, den ungarischen König, der gegen Sigismondo aus Rache für den vermeintlichen Tod seiner Tochter in den Krieg zieht. Kenneth Tarver schließlich gibt den Gegenspieler Sigismondos, seinen Minister Ladislao, der aus eigener Begierde von Aldimira die ganze Intrige ins Rollen gebracht hat. Tarver überzeugt mit dem freien und offenen Klang seiner virilen Stimme, sicheren Koloraturen und Spitzen. Eine ideale Besetzung, auch wenn sein Tenor im oberen Register nicht ganz so geschmeidig ist wie bei anderen Fachkollegen.

Antonino Fogliani, musikalischer Leiter des Festivals, und die Virtuosi Brunenses begleiten die Solisten und den etwas zu massiven Herrenchor spritzig und lebhaft auf der Grundlage der kritischen Ausgabe von Paolo Pinamonti. Sorgfältig herausgearbeitet sind die in Rossinis Instrumentierung charakteristischen solistischen Holzbläser.

Insgesamt stehen heuer fünf szenische, halbszenische und konzertante Opernproduktionen von Rossini und erstmals Bellini auf dem Festivalprogramm. Eröffnet wurde das besondere Festival am letzten Wochenende mit einem außergewöhnlichen Festkonzert: auf einem Aussichtsturm.

Rossini in Wildbad bis 24. Juli – www.rossini-in-wildbad.de
Bilder: Rossini im Wildbad / Patrick Pfeiffer

 

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