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Ein kaltes Händchen in Norwegen

REST DER WELT / ZÜRICH / LA BOHÈME

12/11/15 Der Norweger Ole Anders Tandberg verlegt Giacomos Puccini „La bohème“ in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts und lässt die Künstler zwischen Realität und Traumwelt pendeln.

Von Oliver Schneider

Eine ärmliche Mansarde mit Blick über das Paris des 19. Jahrhunderts, die Weihnachtsstimmung vor dem Café Momus, das Zollhäuschen im Nebel. Alles hübsch pittoresk, so kennt man die Bohème-Klassiker von Franco Zeffirelli und Otto Schenk, die andernorts bei entsprechender Besetzung immer noch Kassenschlager sind. In Zürich hat Ole Anders Tandberg in einer Neuinszenierung die tödlich endende Liebesgeschichte von Rodolfo und Mimi in einen heruntergekommenen, klassizistischen Theatersaal verlegt, wo Rodolfo und seine drei Freunde ihr neues, avantgardistisches Stück aufführen (Bühne: Erlend Birkeland). Der erstmals in Zürich inszenierende Regisseur verbindet Puccini mit seiner eigenen Biographie und lässt die Oper in Norwegen spielen. Der Look der Künstler mit langen, ungepflegten Haaren deutet an, dass man sich in den siebziger Jahren befindet und sich gegen das Establishment auflehnt.

Aber die vier Freunde spielen nicht nur erfolglos und verkannt Theater, sondern träumen auch von einer anderen, schöneren Welt, was durch (zu schwache) Lichtwechsel angezeigt wird. Erstmalig, wenn Mimì mit der abgelöschten Kerze Rodolfo um Feuer bittet und er vom kalten Händchen singt. Warum müssen dazu auf der Bühne zuckergussartig überzogene, kitschige Tannen stehen? Ärger wird es noch im Café Momus, wenn der „Zuschauerraum“ auf der Bühne mit Persönlichkeiten gefüllt ist, die den Pariser Bohème-Mythos geprägt haben sollen. Mag sein, dass auch Puccini nur ein Paris geschaffen hat, das seinen gedanklichen Vorstellungen entsprach. Aber das gilt wohl für viele Opern- oder Dramenhandlungsorte.

Im dritten Bild befindet man sich erst wieder im Theaterstück, das man sich wie das Laienspiel der Handwerker im Sommernachtstraum vorstellen kann. Nur nicht so amüsant. Danach ist Tandberg zum Glück nicht mehr viel Neues eingefallen. Intensiv gespielt und gesungen wird die Abschiedsszene von Mimì und Rodolfo im dritten Bild; wie eh und je erlebt man dann schließlich das Schlussbild mit der still sterbenden Mimì im Eisenbett.

Auch musikalisch lässt der Abend viele Wünsche offen. Giampaolo Bisanti sprang für Mikko Franck am Pult der Philharmonia Zürich in die Produktion ein. Mit so wenig Klangfinesse hat man das Orchester schon lange nicht mehr erlebt. Grob, fast schon ruppig klingen vor allem die Streicher, und das Orchester spielte über weite Strecken viel zu laut. Solide bis gute Leistungen boten in der besuchten zweiten Vorstellung immerhin die Solisten. Guanqun Yu als Hausdebütantin ist eine respektable Mimì, die mit ihrem raumfüllenden, vibratoreichen Sopran eine berückende Charakterstudie der jungen Frau liefert. Shelley Jacksons Sopran hingegen ist für die Musetta zu hart und farbenarm, so gut sie die Rolle szenisch ausfüllt. Michael Fabiano (Rodolfo) besitzt ein schönes Timbre, aber er setzt seine Stimme permanent unter Druck, was auf Kosten des Schmelzes geht. Andrei Bondarenko ist ein kraftvoller Marcello, Erik Anstine ein Colline mit vokalem Tiefgang, Adrian Timpau ein ordentlicher Schaunard. Pavel Daniluk in der kleinen Rolle des Hausherrn Benoît ist schließlich eine Luxusbesetzung.

Vorstellungen bis 8. Dezember – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Judith Schlosser

 

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