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Schaumbad für alle

ZÜRICH / LA FINTA GIARDINIERA

19/02/19 An Tatjana Gürbaca kommt man aktuell im Opernhaus Zürich nicht vorbei. Auf György Ligetis Le Grand Macabre Anfang Februar folgte nun Dramma giocoso La finta giardiniera des 19-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart. Ein vergnüglicher Zeitvertreib.

Von Oliver Schneider

Im vergangenen Mai war die Produktion bereits mit Mitgliedern des Internationalen Opernstudios in Winterthur zu sehen. Jetzt, in Zürich, stehen viele auch in Salzburg bekannte Gesichter auf dem Besetzungsplan. Tatjana Gürbaca erzählt die Vorgeschichte – der Graf Belfiore hat seine Geliebte Gräfin Violante aus Eifersucht verletzt, ist geflohen und glaubt irrig, sie sei tot – zur Ouvertüre, die Gianluca Capuano mit dem Musikkollegium Winterthur mit viel Schwung erklingen lässt. Zwischen raumhohen, verschiebbaren und verspiegelten Glastüren in einem Metallgerüst mit violetten Pfeilern (Bühne: Henrik Ahr) lassen die sieben Protagonisten anschliessend rast- und ruhelos ihren Liebesgefühlen und ihrer Eifersucht freien Lauf.
Trotz des Ernstes des Themas für den einzelnen, betrachtet Tatjana Gürbaca die Personen mit einer gehörigen Portion Witz. Das fängt schon beim honorigen Ketten-Zigarrenraucher Don Anchise an (etwas steif phrasierend, aber mit sicherer Höhe Kenneth Traver), in dessen Haus die gerettete Gräfin Violante inkognito als Bedienerin (eigentlich Gärtnerin) arbeitet. Anchises kleidartiger weißer Umhang, zu dem er gerne auch noch glitzernden Halsschmuck trägt, lässt die Grenzen zwischen den Geschlechtern verschwimmen, womit Gürbaca allerdings nur Mozarts Vorgaben fortspinnt. Denn der Cavaliere Ramiro, der Anchises Nichte Arminda liebt, die aber lieber den Grafen Belfiore als Gatte haben will, ist von Mozart schon als Hosenrolle angelegt. Und die quirlige Margarita Gritskova holt nicht nur darstellerisch das Maximum heraus, sondern ist mit ihrem raumfüllenden Mezzosopran, perfektem Legato und dramatischem Gespür bestens besetzt.

Am Libretto und an der Anlage des Werks mit unterschiedlich langen Akten kann auch das Zürcher Team trotz geschickter Kürzungen nichts ändern. Da die Personen im Gegensatz zu ihren Nachfolgern in Idomeneo oder gar Così fan tutte noch keine innere Entwicklung durchmachen, muss sich die Regisseurin überlegen, wie sie die Liebeswirren bis zum Schluss am Laufen hält.

Dass Arminda ihre Rivalin um die Liebe Belfiores entführt, wird uns per Laufschrift auf einem Zwischenvorhang angezeigt. Sandrina weint aus Angst und Trauer dicke (Schaum)-Tränen, die sich im folgenden zweiten Finale zu einem großen Schaumbad aufhäufen. Hier verwischen die ohnehin schon brüchigen Standesgrenzen restlos, sodass alle wohl oder übel gerne mitbaden müssen. Bis Belfiore und Sandrina nach einer temporären Wahnsinnsphase wieder geheilt sind, endgültig zueinander finden und Anchise auch zwei weiteren Paaren den Weg zum Paarglück ebnet. Rosa Feola, die im Sommer in der Neuproduktion von Cherubinis Médée in Salzburg zu hören sein wird, überzeugt als Sandrina stimmlich mit sensibler Tongebung und leuchtendem Sopran.
Mauro Peter – mit kitschigem, violettem Rüschenhemd passend zu den Pfeilern – mimt den zunächst begehrten Bräutigam, zeitweise aber auch gesuchten Delinquenten und Temporär-Verrückten mit Inbrunst. Eine Lachnummer für sich ist es, wenn er sich in seinem Wahnsinn als Gott Merkur sieht, der Venus anbetet. Nur, dass Venus hier der Violantes Diener Nardo ist, der wie seine Herrin im Dienste Anchises steht (kernig Adrian Timpau). Er ist froh, nicht Venus zu sein, denn sonst würde es nichts aus einer Ehe mit Serpetta (erzkomödiantisch Rebeca Olvera), die ebenfalls bei Don Anchise im Haus arbeitet, ein Auge auf den exzentrischen Chef geworfen hat und Sandrinas Gunst bei ihm eifersüchtig wahrnimmt.
Vollkommen überdreht ist von Anfang an Anchises Nichte Arminda, die nicht recht weiß, was sie will. Dame von Welt und baldige Gräfin sein? Oder geläutert nach dem Schaumbad einfach die glückliche Ehefrau von Ramiro? Liegt es am schauspielerischen Einsatz, dass Myrtò Papatanasiu bei ihrem Rollendebüt zu Schärfen neigt und ihr stellenweise der Atem zu fehlen scheint, um über das Orchester zu dringen? Dabei begleiten die Musikerinnen und Musiker aus Winterthur sängerfreundlich auf der passenden Dynamikstufe und subtil in das musikalische Geflecht hineinhörend.

Weitere Vorstellungen bis 8. März – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Herwig Prammer

 

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