Ein weißer Fleck weniger

TRAUNSTEINER SOMMERKONZERTE / TRIO CON BRIO KOPENHAGEN

04/09/17 Hand aufs Herz: Wer weiß, dass Heinrich Schütz vor dem Dreißigjährigen Krieg nach Dänemark ausbüxte oder dass Dietrich Buxtehude dort geboren wurde? Musik aus Dänemark? Dazu fällt einem nicht all zuviel ein. Zu Unrecht, wie die Traunsteiner Sommerkonzerte zeigen.

Von Horst Reischenböck

Gut, Carl Nielsen ist zumindest als Sinfoniker geläufig, während sein bedeutender Vorgänger Niels Wilhelm Gade in Vergessenheit geriet, obwohl dessen Werke im 19. Jahrhundert zu den meist aufgeführten zählten.

Dänemark jedenfalls ist „zu Gast“ bei den Traunsteiner Sommerkonzerten. Man gedenkt des 200. Geburtstages von Wilhelm Gade und setzt einen weiteren Focus auf Dänemarks „Altmeister“ Per Nørgård.

Am Sonntag (3. 9.) gastierte das hochkarätige „Trio con Brio Kopenhagen“, dem eine besondere Affinität zu dem heuer 85 Jahre Gewordenen eignet. Per Nørgård schuf die Formation etwa sein jüngstes Klaviertrio, das 2012 beim Festival zeitgenössischer Musik in Stockholm uraufgeführt wurde.

Während des Studiums in Wien fanden sich 1999 die zwei aus Korea stammenden Schwestern, die Geigerin Soo Jin und die Cellistin Soo-Kyung Hong mit dem Pianisten Jens Elvekjær zusammen. Bereits 2002 beim renommierten ARD-Wettbewerb durch den 1. Preis „geadelt“, wurden sie in Folge auch in Italien, Norwegen und Dänemark ausgezeichnet. Der Kalichstein-Laredo-Robinson International Piano Trio Award zeitige etwa eine ausgedehnte Tournee durch die USA.

Der Beginn des Abends in Traunstein war einem frühen Werk Nørgårds gewidmet: 1973 betitelte dieser sein Trio Nr. 2 mit „Spell“ - zu übersetzen mit „buchstabieren“ oder mit „Zauber-Spruch, Bann, Faszination“.

Nicht zu viel versprochen: Es geht viel Zauber aus, von diesem gut viertelstündigen Einsätzer, zu dem Nørgård durch die Beschäftigung mit Quantenmechanik und Astrophysik inspiriert wurde. Zu Grunde liegt eine Kompositionstechnik, die vornehmlich minimalistisch anmutet und in Steigerungen große Bögen anpeilt. Diese werden immer wieder durch Generalpausen unterbrochen, die zu neuen Anläufen führen und letztendlich sanft in gedanklicher Weite verdämmern. Die Ausführenden sind frei interaktiv gefordert, Bezug aufeinander zu nehmen und einzelne Töne differenziert klanglich auszureizen. Große Begeisterung für die Rarität beim Publikum.

Eine Besonderheit war auch die Begegnung mit Wilhelm Gades Klaviertrio F-Dur op. 42, von dem selbst renommierte Fachliteratur kaum Notiz nimmt. Wie leider auch Gades „restliches“ Kammermusikschaffen kaum einmal wo Beachtung findet. Wilhelm Gade war Felix Mendelssohn-Bartholdy Nachfolger als Gewandhaus-Kapellmeister in Leipzig. Als Komponist war er durch Robert Schumann beeinflusst, zeigt sich aber durchaus eigenständig, etwa mit einem aufrüttelnden Allegro molto vivace-Scherzo.

Den dritten Komponisten des Abends kannte man dafür: Kulinarisch bekrönt wurde das Programm mit Pjotr Iljitsch Tschaikowskis kapitalem Trio a-Moll op. 50: energisch aufgeladen, mit vollem Einsatz gespielt vom fulminanten Trio con brio Copenhagen.

Traunsteiner Sommerkonzerte, bis 7. September – www.traunsteiner-sommerkonzerte.de
Bilder: trioconbrio.dk / Nikolaj Lund