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REISEKULTUR / BADEN-BADEN

28/06/16 Blickt man in das Jahresprogramm des Festspielhauses von Baden-Baden, dann staunt man über das Überangebot, das sich auf das gesamte Jahr verteilt. - Impressionen von der Kurstadt mit dem zweitgrößten Festspielhaus Europas.

Von Wolfgang Stern

Schon zur Römerzeit wurden hier am nördlichen Fuße des Schwarzwaldes heiße Quellen genutzt, im Mittelalter war die heute rund 53000 Einwohner zählende Stadt Residenzstadt der Markgrafschaft Baden. Spielbank und Weiterentwicklung der Stadt zogen den Adel und die Reichen an. Aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind bedeutende Bauten und Parkanlagen erhalten, kulturell Interessierte, Kurende und Erholungssuchende finden heute im Grünen das, wonach man als Gestresster sucht, nämlich Ruhe und Geborgenheit bei bester Versorgung. Generell eher ein Ort für Menschen mit dickeren Brieftaschen.

Heute ist Baden-Baden ein „Weltbad im Schwarzwald“ und ein Treff der Prominenz. Wie nebenbei befindet sich in diesem Kurort Europas zweitgrößtes Konzert- und Opernhaus, das Festspielhaus mit rund 2500 Plätzen. Es wurde am 18. April 1988 eröffnet, integriert einen Teil des damals aufgelassenen Stadtbahnhofes und beeindruckt durch hervorragende akustische Verhältnisse. Architekt des Neubaus war Wilhelm Holzbauer. Heute ist das Haus mit seinem „Überprogramm“ ein Magnet für Musikfans aus gesamt Deutschland und darüber hinaus (bei günstigeren Preisen als bei den Salzburger Festspielen).

Eines dieser auf das gesamte Jahr verstreuten Großereignisse war kürzlich das Gastspiel des „Les Ballets de Monte Carlo“, das vom außergewöhnlichen Jean-Christophe Maillot geleitet wird. Nun ist er dreifach im kleinen Fürstentum vertreten, als Ballettdirektor (1993 von Prinzessin Caroline berufen), als Leiter des 2000 gegründeten Monaco Dance Forum und als Chef der Ballettakademie. Genug Arbeit für den Choreographen an einem Platz. Nach einigen Bearbeitungen diverser Klassiker wurde „LAC“ (eine gekürzte und total umgearbeitete Version von des „Schwanensees“) zum Triumph der Kompagnie und stellte so einen weiteren Meilenstein in der Weiterentwickung und Tradition des „Ballets Russes“ nach dem Tod von Diaghilev (1929) in Monte Carlo dar. 1932 gründeten Colonel de Basil und René Blum das „Les Ballets Russes de Monte Carlo“, womit die große Tanzgeschichte des Fürstentums begann. Maillot baut auf Traditionelles, wobei klassisches und modernes Ballett genug Platz nebeneinander finden- oder noch besser – ineinander verflochten sind.

Sein 2011 in Monaco uraufgeführter Schwanensee (LAC) wurde um rund eine Stunde auf zwei Stunden verkürzt. Für ein neues Libretto und die Dramaturgie wurde Jean Rouaud zugezogen, die Handlung spielt nun in einem modernen Königreich. Ängste und das Kindheitsträume des jungen Prinzen, Albträume und Kämpfe zwischen Schwänen und Menschen, eine völlige Entschlackung der Musik (vor allem der nationalen) sind Einschnitte, die die Geschichte vollkommen neu beleuchten. Die Vorgeschichte zur Handlung bringt ein kurzer Schwarz-Weiß-Film.

Die große Bühne des Festspielhauses Baden bietet viel Platz für die auf höchstem Level agierenden Tänzerinnen und Tänzer, Ernest Pignon-Ernest kommt sehr gut mit wenig Requisiten aus, die Kostüme von Philippe Guillotel sind eine reine Augenweide. LAC präsentiert sich in einer überragenden Teamarbeit. Unter den Tanzenden ragen Stéphan Bourgond als Prinz, Liisa Hämäläinen als Weißer Schwan und Victoria Ananyan als Schwarzer Schwan hervor, Noblesse ist Gabriele Corrado (König) und Marianna Barabás (Königin) zu eigen. Insgesamt tanzt die Truppe in den vielfältigen und schwierigen Choreographien auf höchstem Niveau. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Nicolas Brochot musizierte beherzt und engagiert.

Baden-Baden sollte eine Reise wert sein, nicht nur wegen des Programms im Festspielhaus. Zeitgenössische Kunst (Museum Frieder Burda) und viele andere Aktivitäten lassen sich mit einem Konzertbesuch verbinden. Ausflüge nach Straßburg (nur ca. 55 km), in den Schwarzwald, nach Karlsruhe oder Stuttgart und in reizende deutsche Kleinstädte sind leicht zu bewältigen.

Nähere Infos zum Jahresprogramm des Festspielhauses: www.festspielhaus.de Touristische Informationen: www.baden-baden.de