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Anush heißt die Nationaloper

REISEKULTUR / ARMENIEN / MUSIK (I)

17/12/14 Jerevan hat ein Musikleben, das vielleicht überrascht, wenn man die Gesamtsituation im Land betrachtet. Gegensätze dazu sind Fabriksruinen, Armut zum Angreifen speziell in den ländlichen Regionen und eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Doch in Jerewan bemüht man sich in der Kunst um europäische Verhältnisse, soweit möglich und entsprechend den staatlichen Subventionen, die sicher nicht überschwänglich ausfallen.

Von Wolfgang Stern

Gerade jetzt im Herbst war einiges los in der Hauptstadt Armeniens, in Jerewan. Noch jung ist das Internationale Musikfestival, das im September und Oktober zum achten Mal statt gefunden hat. Treibender Motor der klassischen Musikszene ist Eduard Topchjan, der künstlerische Leiter und Chefdirigent des Armenischen Philharmonischen Orchesters (das vor gut einem Monat übrigens auch in Österreich gastierte und Konzerte in Linz und Klagenfurt gegeben hat).

Er leitet auch das Festival, zu dem Solisten, oft meist mit armenischer Wurzel, eingeladen werden und so ihre Verbundenheit zur Heimat zeigen. Namen wie Alexander Chaushian (Cello), die Geigerinnen Yana Daryan und Anush Nikoghosyan, Vahan Mardirossian (Klavier und Dirigent) oder Vagram Saradjian (Cello) haben am Konservatorium von Jerewan mit der Ausbildung begonnen.

Beim Internationalen Musikfestival in Erewan liegen die Kartenpreise liegen bei umgerechnet fünf bis zehn Euro5 bis 10 Euro, und doch waren die Konzerte des Armenischen Philharmonischen Orchester bei weitem nicht ausverkauft. Der Geiger Sergej Krylov, Gewinner unter anderem des Fritz Kreisler Wettbewerbs, stellte sich da mit dem Tschaikowsky-Violinkonzert vor, in technischer Hinsicht gewiss Sonderklasse. Eine große Zukunftshoffnung ist die noch in München studierende Geigerin Anush Nikoghosyan.

Aram Chatschaturjan (geb. im georgischen Tiflis) gilt als der bedeutendste Komponist des Landes. Das Wohnhaus des Schöpfers des Balletts „Spartacus“ mit dem berühmten Säbeltanz ist in einer Seitengasse der Innenstadt zu finden und birgt noch originale Einrichtungsgegenstände.

Anush, so heißt die armenische Nationaloper. Die Titelheldin, die sich in einen jungen Burschen namens Saro verliebt, muss mitansehen, wie ihr Bruder Mossy, der mit dem Liebhaber in Clinch gerät, zur Waffe greift. Saro wird erschossen. Anush bleibt nichts anderes übrig als der Freitod. Der Armenier Armen Tigranian (1879-1950) ist der Komponist dieser Tragödie voller Romantik. Tonal sehr monoton, eher den langsamen Tempi zugewandt und nicht unbedingt attraktiv für unsere Ohren, zieht sich die Angelegenheit rund drei Stunden hin. National betrachtet ist das Werk ob der Traurigkeit, die die Musik beherrscht, ein Dokument der Mentalität eines in der Geschichte leidgeprüften Volkes. Bei uns würde diese Oper kaum bestehen, aber sehr wohl die Singstimmen reüssieren. Auffallend waren die starken Chorstimmen, die dynamisch gewaltig zuschlagen können.

Interessant ist der Bau aus der Stalinzeit mit Multifuktion. Vereint unter einem Dach sind Oper (im Süden) und Konzertsaal (im Norden). Der Besuch in Straßenkleidung ist fast normal, Mäntel und Getränke – auch Handys – nimmt man mit. Der Spielplan der Oper ist eher bescheiden. Neue Inszenierungen dürften meist am Geld scheitern. Man plant für Frühjahr 2015 eine Carmen, sicher ist es noch nicht ganz.

Im Bereich Ethno/Folklore/Jazz gibt es eine rege Szene, die man kennenlernen sollte, wenn man sich in Jerewan aufhält. So konnte ich einen tollen Abend in einem Kellerrestaurant erleben, wo sechs Herren ausgezeichnet miteinander musizierten. Dabei werden Volksinstrumente integriert. Ohne Duduk, ein Nationalinstrument, geht es nicht. Sie gehört zu den zylindrischen Doppelrohrblattinstrumenten (eine Art kurzer Oboe). Es gibt sie eigentlich im gesamten asiatischen Raum gibt. Ihr Ursprung kann bis in die vorchristliche Zeit zurückverfolgt werden. Ethno mit Duduk, Trommeln, Klarinette und Akkordeon (übrigens hatte der Spieler eine „Weltmeister“), dazu ein gutes Glas Wein und gefüllte Weinblätter – ein schöner Ausklang nach einem intensiven Besichtigungsprogramm der Stadt. Jazztage waren für die nächste Zeit angesagt. Auch hier soll es sehr gute Gruppen geben.

Ein Sonntagsgottesdienst in Armenien, noch dazu in der Kathedrale des religiösen Zentrums der armenischen Christen, im ca. 20 km entfernten Edschmiatsin, sollte bei einer Armenienreise fix eingeplant sein. Es wird viel gesungen, Kirchenchöre mit ausgebildeten Stimmen gestalten den Gottesdienst. Auch diese Lieder und Litaneien wirken auf unsere Ohren eher monoton gehalten, sie fußen oft nur auf einer Fünf- oder Sechstonleiter. Diese Musik ist aber etwas, das zum Land gehört wie das eigene Alphabet oder die vielen Kirchen und Klöster, von denen in einem zweiten Teil berichtet wird. (Wird fortgesetzt)

Bilder: Wolfgang Stern

 

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