Besser ein Grünes Band als Stacheldraht

REISEKULTUR / NATURSCHUTZ

21/08/19 Sechs- oder siebenhundert Menschen, dass klingt nach kleinem Grenzverkehr. Eine solche Paarhundertschaft von DDR Bürgern türmte vor dreißig Jahren beim legendären Paneuropäischen Picknick, einer Friedensdemonstration an der österreichisch-ungarischen Grenze nahe Sopron, in den Westen.

Mit Zustimmung ungarischer und österreichischer Behörden wurde damals, am 19. August 1989, ein Grenztor symbolisch für drei Stunden geöffnet. Ein paar Monate später sollte der Eiserne Vorhang Geschichte sein. Für den Tourismus nicht nur in Salzburg war das ungemein befruchtend: In der Wintersaison 2018/19 (der letzten aktuellen Statistik) stellten die 405.000 Gäste aus den ehemaligen Ländern des Ostblocks immerhin rund ein Drittel der Touristen aus dem Ausland. Tschechisch, Slowakisch, Polnisch, Ungarisch sind unterdessen geläufige Sprachen auf den hiesigen Almhütten und in den Gondelbahnen.

Das Jubiläum des ersten Grenzübertritts dieser Tage hat aber auch wieder an eine andere touristische Option als an die Überschreitung der Grenze zwischen dem „freien“ Westen und dem kommunistischen Imperium erinnert: Die über Jahrzehnte mit Stacheldraht, Wachtürmen, sogar mit Tretmienen dicht gemachte Grenze quasi durch einen ganzen Kontinent vom Nordkap bis zur Adria führte ja auch dazu, dass da entlang wirtschaftlich tote Hose war – und das wiederum war der Bewahrung der Natur zuträglich. Bald nach Öffnung des Eisernen Vorhangs kam man auf die Idee, diesen Streifen Wildnis quer durch Europa zu verbinden und so ein wertvolles ökologisches Netzwerk von Natur- und Kulturlandschaften zu schaffen: Das Grüne Band hat da seinen Anfang.

Zum Jubiläum dieser Tage richteten sich die Augen der öffentlichkeit natürlich auf die Gedenkveranstaltung in Sopron, an der Angela Merkel und Viktor Orban aufeinander trafen (ein diplomatisch durchaus vermientes Terrain). Daneben trafen aber auch Naturschutzexperten aus Österreich, Deutschland, Ungarn, Tschechien, Slowenien und der Slowakei im Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel zusammen, um eben diese größte Naturschutzinitiative Europas zu feiern und Zukunftsperspektiven zu diskutieren.

Quasi als Zaungast war auch die Salzburger Umwelt-Landesrätin Maria Hutter zugegen, berichtet die Landeskorrespondenz. „Schützenswerte Landschaften enden nicht an Staatsgrenzen. Das einzige, das der Grenzzaun damals nicht teilen konnte, war die gemeinsame Natur“, so Maria Hutter. Sie nutzte die Festveranstaltung auch, um sich mit Bundesministerin Maria Patek sowie ihren Ressortkolleginnen und -kollegen der anderen Bundesländer über gemeinsame Themen, wie etwa Natura2000 oder den Nationalpark, auszutauschen.

Das Grüne Band erstreckt sich zirka 1.200 Kilometer entlang der österreichischen Grenze. Insgesamt ist es 12.500 Kilometer lang und führt von der norwegisch-russischen Grenze im Norden bis nach Griechenland im Süden. 23 Staaten haben sich nach dem Fall des Eisernejn Vorhangs verpflichtet, die Regionen zu erhalten und zu schützen. Die European Green Belt Initiative gilt als Vorzeigeprojekt, das Natur, Geschichte und zukünftige Entwicklung in Einklang bringt. In einem aktuellen Papier, der Erklärung von Illmitz, wurde am Montag (19.8.) der Wille bekräftigt, das Grüne Band zu schützen und als lebendiges Denkmal der ehemaligen Teilung Europas zu bewahren.

Das Verbindende des Grünen Bandes und zwischen den einzelnen Schutzgebieten steht auch im Mittelpunkt des internationalen Projekts Dare To Connect, von Umweltbundesamt und Naturschutzbund. „Die Abschnitte des Grünen Bandes haben unterschiedlichen Schutzstatus und sind durch ungeschützte Naturbereiche, die als Verbindungskorridore dienen, miteinander vernetzt“, erklärt Umweltbundesamt-Geschäftsführerin Monika Mörth. „Diese verbindenden Teile zu erhalten, ist eine wichtige Aufgabe des Naturschutzes in Österreich.“

Alle Staaten entlang der einstigen Grenze sind eingebunden und tragen dazu bei, die Vielfalt der naturnahen Landschaft des Grünen Bandes zu erhalten. „Die wertvollen Lebensräume, die sich im Schatten des Eisernen Vorhangs entwickelt und erhalten haben, bilden heute das Rückgrat des größten europäischen Biotopverbundsystems“, betont Naturschutzbund-Vizepräsident Johannes Gepp. „Ihr besonderer Wert liegt darin, dass es noch ein verwobenes und ganzheitlich funktionierendes Ökosystem verschiedenster Lebensräume ist.“ Der Naturschutzbund stellt mit Johannes Gepp den National Focal Point der Green Belt Initiative in Österreich und arbeitet seit Jahren aktiv an der Erhaltung des Grünen Bandes. (Naturschutzbund/Landeskorrespondenz)

Bilder: Österr. Naturschutzbund / Hofrichter (1); Limberger (2)