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Sein Mut hat ihn betrogen

OSTERFESTSPIELE / KAMMERKONZERT / MORETTI

17/04/19 Gipsfuß unterm Abendkleid der Sopranistin oder bandagiertes Handgelenk des Tenors gehen Publikum und Kritik nichts an, haben keinen Niederschlag in der „Wertung“ zu finden. Wenn der Solist freilich mit Krücken und sichtlichem Beschwer auftritt, um Tyrannen, Kriegstreibern und sonstigen Despoten die Leviten zu lesen, dann ziehen zusätzliche Deutungen ungefragt durch den Kopf.

Von Heidemarie Klabacher

Arnold Schönbergs Ode an Napoleon Buonaparte auf einen Text des Engländers Lord Byron ist explizit „politische“ Musik, in der der Komponist im amerikanischen Exil die Lage in der Heimat anno 1942 wohl indirekt reflektiert, Hitler allerdings nicht die Ehre antut, ihn mit anderen Despoten in einen Atemzug zu nennen. Napoleon, selbst von einem Querdenker wie Beethoven kurzzeitig hoch verehrt, bekommt die Verachtung ins Gesicht geschleudert, indem der Dichter ihn mit anderen „Tyrannen“ der Weltgeschichte vergleicht. Asiatisch, römisch oder spanisch: Sie kommen alle mit Spott und Hohn davon. Doch Napoleon hat nicht nur heerbannweise einen halben Kontinent mit Tod und Kriegsleid überzogen. Er, der als „Revolutionär“ zum Sturz alter Machtverhältnisse angetreten war, hat sich zum Kaiser krönen lassen. Damit hat er alle Ideale verraten, für die er in den Augen seiner ehemaligen Verehrer von Beethoven abwärts je gestanden haben mag.

Tobias Moretti hat den von Schönberg – über eine Zwischen-Übersetzung – selber ins ins Deutsche übertragenen Text von Lord Byron im Kammerkonzert der Osterfestspiele rezitiert. Er tat dies mit einer sprach-musikalischer Ausdruckskraft und Intensität, die den Grenzgang zwischen Sprache und Musik wie einen faszinierenden Balanceakt wirken ließ: Wie bei Pierrot lunaire hat Schönberg wohl Rhythmen und Melodieverläufe notiert, aber keine fixen Töne für den Rezitator.

Das Tonmaterial von op. 41 für Streichquartett, Klavier und Sprecher basiert auf einer Zwölftonreihe, überrascht aber an zentralen Stellen mit tonalen, ja harmonischen Anleihen bei Beethoven – der die Zueignung seiner Eroica an Napoleon nach dessen Selbstkrönung bekanntlich widerrufen hat.

Tobias Morettis Lesart hätte die unfreiwillige „Inszenierung“ nicht nötig gehabt. Der Eindruck des gar nicht laut, aber mit schneidender Präzision rezitierten Textes im Zusammenspiel mit der facettenreichen Musik war enorm. Dennoch hat der Auftritt des sichtlich Angeschlagenen indirekt das konkrete Leid derer mit ins „Gedankenspiel“ gebracht, auf deren Rücken Kriege seit Jahrtausenden ausgetragen werden. Nicht nur abstrakte Ideale können verraten werden, auch der konkrete Mensch...

Dramaturgisch stimmig spielten Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle Dresden danach Ludwig van Beethovens Septett für Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass Es-Dur op. 20 in einem brillant ausbalancierten Wechselspiel von Bläsern und Streichern. Ebenso schlüssig war der eröffnende Quartettsatz für zwei Violinen, Viola und Violoncello c-Moll D 703 von Franz Schubert, der das Kammerkonzert der Osterfestspiele am Dienstag (16.4.) in Wien verortete – ohne dass die klangfarbenreiche und zugleich überaus transparente Interpretation des Dresdener Quartetts sich folkloristisch „wienerisch“ gegeben hätte. Die elegante Lesart hat, im Gegenteil, neugierig gemacht, auf mehr Schubert von der Elbe.

Bilder: OFS/Matthias Creutziger

 

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