Es lebt ja alles von der Energie des Publikums

NACHGEFRAGT BEI RENATE WURM

13/05/20 Das Herz von Renate Wurm schlägt für Das Kino. Mit ihrem mobilen Sommerkino brachte sie Leinwand-Flair vom Giselakai über die Burgen des Bundelandes bis ins Seengebiet. Ob und wie es weitergeht? Das hängt jetzt ganz davon ab, ob die Regierung endlich verbindliche – und brauchbare – Richtlinien für Kunst und Kultur bekannt gibt.

Von Heidemarie Klabacher

„Es ist anscheinend wirklich so, dass die Kultur in unserem Kulturland Österreich als Letztes dran ist.“ Renate Wurm, die Leiterin des Salzburger Filmkulturzentrums Das Kino, spricht vielen Betroffenen aus der Seele. „Selbst wenn bei der Pressekonferenz am Freitag Konkretes gesagt werden solle, bleibt immer noch die Frage: Können wir unter den Bedingungen, unter denen wir dann aufsperren dürfen, unseren Betrieb wirtschaftlich führen? Das gilt nicht nur für uns Kinobetreiber, sondern auch für Theater, Opernhäuser und alle anderen...“

Niemand unterschätze die Gefahr. „In den Supermarkt geht man hinein und schnell wieder hinaus. In Kino, Theater oder gar Oper sitzt man Stunden. Auch wenn die Räume groß und hoch sind, da wissen sie einfach noch nicht wie das Virus tickt“, sagt Renate Wurm. Nachsatz: „Und wir hängen in der Luft.“ Mit der zehn Quadratmeter-Regel etwa könne sie bestenfalls Privatvorstellungen anbieten. „Ich rechne mit einem Einbruch von bis zu siebzig Prozent.“

Wie manche andere Institution lebt auch Das Kino zu achtzig Prozent von den Einnahmen. „Die fallen seit Monaten flach. Und Fixkosten sind Fixkosten. Drum heißen sie so.“ Zum Glück sei vor der Sperre „alles gut gegangen“, habe sich ein kleines finanzielles Polster gebildet, erzählt Renate Wurm. „Auch die Kurzarbeit federt einiges ab, aber im Grunde kommt jedes Monat ein sattes Minus zusammen.“

Ein Herzensprojekt von Renate Wurm ist das von ihr in den vergangenen drei Jahren aufgebaute mobile Sommerkino. Gespielt wird etwa auf den Burgen Hohensalzburg, Werfen oder Mauterndorf, in Oberdorf, Köstendorf oder Neumarkt. „Da kommen wir nicht nur zum Vorführen. Wir sind auch in die Programmierung eingebunden und suchen gemeinsam mit den Veranstaltern die Filme aus.“ In Obertrum etwa kämen zwischen fünfhundert und tausend Leute zusammen: „Die Stimmung ist überwältigend.“ Auch da heißt es momentan noch „Ruhe bewahren“ und abwarten. Der erste „Burg-Film“ wäre immerhin bereits Ende Juni über historisches Gemäuer geflimmert. Die meisten Termine stünden Juli und August im Kalender. Bis in den September hinein seien Filmvorführungen an besonderen Locations geplant. „Jetzt warten und hoffen wir, dass wir im Juli und August wenigstens open air machen dürfen“, sagt Renate Wurm. Und sei es „mit Picknick-Decke als Abstandshalter“. Sie spüre eine starke Sehnsucht bei den vielen Menschen, „endlich wieder irgendwo hinzugehen zu dürfen und ein Erlebnis miteinander zu teilen, auch mit Abstandsvorschriften“.

Bisher der Krise zum Opfer gefallen sind etwa Buster Keatons The General live begleitet von einem Organisten in der Evangelischen Christuskirche – „Eine Supergeschichte, die ich gerne nachholen möchte“ – weiters Termine im Filmclub Literatur oder der anlaufenden Reihe My Favorite Movie. Für das Bergfilmfestival (11. bis 24. November) plane sie schon jetzt, etwa die Referenten zu bitten, ihre Vorträge zwei mal vor jeweils weniger Gästen zu halten. „Auch die Festspiele hatten was mit Kino vorgesehen...“

Inzwischen hat sie die erzwungene spielfreie Zeit etwa dazu genützt, „die ganze Lüftung generalsanieren und alle Rohre austauschen zu lassen“. So könne sie vielleicht bei dem einen oder der andern im Publikum „ein wenig verbleibende Berührungs-Angst wegnehmen“, sagt Renate Wurm. Das seien „solche Sachen“, an die man als Veranstalter durchaus denken müsse und die es den Menschen zu vermitteln gelte. „Wir haben keine Klimaanlage, keine Virenschleuder, nur eine Lüftung, da wird wird einfach die schlechte Luft ab- und frische Luft angesaugt.“ Dass bei Einzelnen „die Angst groß bleibt“ oder „dass die Maskenpflicht Gäste abschrecke“, „davor fürchte ich mich ein wenig“, gesteht Renate Wurm. „Es lebt ja alles von der Energie des Publikums.“

Ein ganz anderes Problem sieht die Insiderin auf die Branche in den nächsten Monaten zukommen. Werden womöglich die Kinos wieder spielen dürfen, aber nichts – zumindest nichts Neues – zum Vorführen haben? „Filmproduktionen von Österreich bis Hollywood wurden unterbrochen. Filmemacher stehen ebenso in der Warteschleife, wie die Schauspieler, der Spielfilm ebenso wie die TV-Produktion: Es wird uns allen gleich gehen, auch die Fernsehsender werden das zu spüren kriegen. Wir bekommen ein Content-Problem.“

Wie etwa auch Elisabeth Schneider, die im Rahmen des Kulturkreises Das Zentrum in Radstadt einen regen Filmclub leitet, kooperiert auch Renate Wurm mit der Initiative Video on Demand. Für nur 4.90 Euro pro Film steht quasi „der“ gesamte Österreichische Film zum Nach-Schauen bereit. Ein Renner natürlich in der „Krise“. Renate Wurm erzählt, dass sie zu Beginn der Kooperation in einen anonymen Brief gefragt wurde, „wie bescheuert ich bin“, dass sie sich selber das Geschäft abgrabe. „Ich sehe das als cineastische Bibliothek und nicht als Konkurrenz.“ Die Plattform werde permanent gefüllt, auch mit Filmen von aktuell abgesagten Festivals von der Diagonale bis zu Crossing Europe. Setzt ein Kinobetreiber oder Veranstalter auf seiner Website den Link auf VoD, erhält er einen kleinen Beitrag. „Das weiß unser treues Publikum und geht über unsere Website hinein, weil wir auch eine Kleinigkeit bekommen. Und wir bleiben auf dem Radar.“ Und die Menschen werden auch „nachher“ nicht ausbleiben: „Wir haben ein so ein treues Stammpublikum. Unser Publikum kommt ins Kino.“

Bilder: DAS KINO / Leo Neumayr