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Eine Sekunde ist viel zu lang

NACHGEFRAGT BEI PETER SCHMIDT

24/04/20 Peter Schmidt ist der Leiter der Abteilung für Digitale Medien an der Universität Mozarteum, Leiter des Ton- und Video-Studios, Lehrbeauftragter für Musikproduktion, Beauftragter des Rektorates für Digitalisierung und – jetzt in Corona-Zeiten – Koordinator der Task Force distance learning“.

Von Heidemarie Klabacher

„Das bricht jetzt alles über mich herein“, sagt Peter Schmidt. Der Leiter des Ton- und Video-Studios ist promovierter Musikwissenschaftler und unterrichtet auch selber. Er sei „daher eine gute Schnittstelle zwischen Technik und Lehre“. In der aktuellen Situation könne er „den Lehrenden gut helfen“ und ihnen zeigen, „wie ihre Sachen am besten zu den Studierenden kriegen“.

Längst nicht alles, was Universitäten oder auch Schulen zum distance learning brauchen, wird erst jetzt erfunden. Die schon bisher vorhandenen Systeme seien „ganz gut gemacht“, lobt der Experte. „Die Plattform 'blabo' etwa, die Lernplattform der Universität Mozarteum, gibt es schon sehr lange. Sie wird hauptsächlich von Lehrenden genutzt, die sehr theorielastige Fächer haben“, erklärt Peter Schmidt.

Schlägt man die blabo-Startseite auf der Website des Mozarteums auf, finden sich nicht nur Kurse im Bereich Digitale Medien, wie „Grundlagen der Tontechnik“ oder „Audio- und Videoaufnahmen für Wettbewerbe und Präsentationen“. (Bei solchen Lehrveranstaltungen steht als Leiter oft Peter Schmidt.) Es finden sich auch unzählige musik-theoretische, -wissenschaftliche oder -geschichtliche Kurse. Von „Fachdidaktik Hackbrett“ über „Liedanalyse und Poetik“ bis zu „Auftritts-, Probespiel- und Wettbewerbscoaching“ reicht das Angebot.

Allen Lehrenden an der Universität Mozarteum werde derzeit „nahegelegt, es zu versuchen“, erzählt Peter Schmidt. Man könne Audio-, Video- und natürlich Text-Dateien verlinken, „sogar Prüfungen machen, sofern sie einfach strukturiert sind“: „Es funktioniert sehr gut.“ Er habe sich sehr gefreut – „und auch gewundert“ – über die hohe Bereitschaft der Lehrenden, etwas Neues auszuprobieren. Von keiner Seite habe er bislang gehört, So etwas geht nicht an der Musikuniversität... „Und das ist auch ganz gut so“, meint Schmidt, der durchaus „befürchtet, dass wir noch ein wenig in diese Richtung weiter machen müssen“. Besser machen könne man die Dinge immer, eine Umfrage bei den sechshundert Lehrenden und 1800 Studierenden soll erheben, wo es noch hakt.

Die größte Hürde ist natürlich der Instrumentalunterricht. „Was längst schon funktioniert: Ein Lehrer spielt was vor, der Schüler spielt nach...“ Aber qualitätvoll Miteinander digital zu musizieren, etwa Kammermusik zu machen, ist für die Experten in aller Welt die Herausforderung der Stunde. Alles was man derzeit online von Chören, Orchestern und Ensembles „im Corona-Modus“ sieht, wurde in einzelnen Tonspuren aufgenommen und zusammengeschnitten. „Gemeinsames Musizieren geht nicht. Die Übertragungsketten sind mit Verzögerungen behaftet. Abhängig von der Hardware, von der Geschwindigkeit der Internetverbindung ergeben sich Verzögerung bis zu einer Sekunde und zwar jeweils in alle Richtungen. Das summiert sich.“

Videokonferenzen via Webex mit bis zu zwanzig Personen funktionieren „eigentlich sehr gut“. „Aber via Webex Geige zu spielen hört sich genauso grauslich an, wie man sich das vorstellt.“

Ein Konsortium aus Leuten von Theatern und Orchestern zusammengeschlossen zum „Institut für künstlerische Forschung“ arbeite gemeinsam am Projekt digital-stage. „Die versuchen genau das Problem der Verzögerung zu beheben“, berichtet Peter Schmidt. Ein Seitenblick auf die Website (www.artistic-research.de): „Wir möchten eine Möglichkeit entwickeln, die es größeren Musik- und Theaterensembles erlaubt, verteilt von zu Hause aus und mit haushaltsüblicher vorhandener Technik im Internet zu proben und live auf einer digitalen Bühne gemeinsam vor Publikum auftreten zu können. In einem späteren Schritt sollen auch 3D Audio und Virtual Reality Formate integriert werden...“

Die Experten seien kurz davor, bitten aber gerade um Geld, berichtet Peter Schmidt. „Wenn sie wirklich auf wenige Millisekunden Verzögerung herunterkommen“, könne künftig digital musiziert werden. „Das jedenfalls ist derzeit die vielversprechendste Geschichte. Es wäre es ein Meilenstein für die Zukunft. Dann wäre solider künstlerischer Fernunterricht eine Perspektive.“

Die Universität Mozarteum sei als Kunstuniversität „system-gegeben“ kein Vorreiter der Digitalisierung. Technische Universitäten hätten etwa eigene Vizerektoren für Digitalisierung mit Büro und Stab. Aber auch das Mozarteum werde, betont der Experte, „einen Quantensprung“ machen. Laut einer Vorgabe des Ministeriums seien alle Universitäten angehalten, ein Digitalisierungs-Konzept zu erarbeiten. „Aber das ist weit gefasst“, sagt Peter Schmidt: „Für einzelne Departements ist die Unterhaltung über E-Mail schon genug...“ Tatsächlich habe man am Mozarteum mit einer Umfrage in den Abteilungen (Wieviel Digitaltechnik nutzt ihr? Was könnte besser werden...) und der Erstellung eines digitalen Entwicklungsplans begonnen, in Abstimmung mit anderen Universitäten: „Das war schon alles geplant. Dann kam die Krise – und jetzt hat es sich verselbstständigt und beschleunigt.“

Bilder: Fotostudio August/Silvana Snoy/Salzburg (1); UniMoz/Christoph Feiel (1)

 

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