Klingendes Friedensgebet

MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE

16/10/23 So soll es sein in den Sonntagsmatineen im Großen Festspielhaus – große Symphonik, dazu ein Blick in die Raritäten-Schatztruhe und ein Stück aus unserer Zeit. Maestro Leo Hussain, eingesprungen für den aus Familiengründen verhinderten Andrew Manze, ist nicht nur dafür zu danken, dass er das Programm ohne Änderungen kurzfristig übernommen hat.

Von Paul Kornbeck

Der ehemalige Musikdirektor des Landestheaters und mittlerweile international erfolgreiche britische Dirigent mit Salzburger Wohnsitz richtete vor dem Konzert in freier deutscher Rede berührende Worte an das Publikum. In dieser Zeit des Schreckens in allzu vielen Teilen dieser Welt ist es wichtig, Musik zu machen, die Völker verbindet und Visionen der Freiheit und des Friedens malt.

Bei aller Doppelbödigkeit und allen einkomponierten Abgründen geht es in Gustav Mahlers Vierter Symphonie um die Botschaft des „Lächelns der hl. Ursula“ und Cäcilia, die Schutzheilige der Musik. Vollkommene „himmlischen Freuden“ wird es zwar auf Erden nie geben, aber dieses ursprünglich unter dem Titel „Was mir das Kind erzählt“ für die weltumspannende Dritte konzipierte Finale ist auch der Traum von einem besseren Leben.

Leo Hussain und das in all seinen Gruppen klangsensible Mozarteumorchester musizierten das vielschichtige Ländler-Panorama und das wahrlich „weit atmende“ Adagio mit Inbrunst und wie ein großes ökumenisches Gebet. Mag sein, dass manche Sequenzen sehr langsam daherkamen, aber was schrieb Mahler über seine Sätze? „Nicht eilen. In gemächlicher Bewegung. Ruhevoll...“ Die Schärfen der Partitur wurden dennoch hörbar. Prächtig und klangrednerisch geigte der leider auf der Homepage und im Saisonprogramm unauffindbare Gast-Konzertmeister mit nach oben verstimmter Zweitvioline „Freund Hein“, also Gevatter Tod, und im Wunderhorn-Lied am Ende gesellte sich Christina Landshamer mit Engelssopran dazu. Trotz unausrottbarer Huster, Handyklingeln und einem mitunter durchaus passend kommentierenden Kleinkind – „Was mir das Kind erzählt!“ – gelang das Finale in bewegender Kontemplation. Tosender Jubel ist nach diesem Werk nicht angebracht, doch der Applauspegel war hoch.
Den Jubel hatte es schon vor der Pause gegeben, so für Christina Landshamer als Solistin in Samuel Barbers auch orchestral auf Feinste gezeichneter und souverän begleiteter Kindheits-Idylle Knoxville. Summer of 1915 – in diesem Meisterstück amerikanischer Romantik tritt „Freund Hein“ ebenfalls einmal markant auf.

Den famosen niederländischen Klavier-Brüdern Lucas und Arthus Jussen hat Fazil Say Anka Kuşu (Phoenix), ein Konzert für Klavier zu vier Händen und Orchester, in die ebenso elegant wie diesmal auch erdig und auf den Saiten des Flügels tätigen Finger komponiert. Die österreichische Erstaufführung konnte nun bei einem der Auftraggeber, dem Mozarteumorchester, stattfinden. Es geht darin um die Legende von tausend altpersischen Phönix-Vögeln, die sich auf die Suche nach ihrem König machen. Nach Abenteuern in sieben Tälern und sufistischer Läuterung bleiben dreißig davon über, die erkennen müssen, dass sie selber Kronen tragen. Fazil Says Stil, gebildet aus effektvollen und klugen Mischungen west-östlicher Traditionen, oft Bartók nahe und doch originell, „hat Melodie, und die ist weder alt noch neu“ (so einst Verdi über Puccini). Dazu kommen atmosphärische Farben und zündende Rhythmen – und ein wenig Avantgarde-Pfeffer. Musik am Puls der Zeit, die direkt ankommt – und darauf kommt es an!

Dirigent der zweiten Sonntagsmatinee am 12. November mit Werken von Brahms und Richard Strauss ist Leopold Hager – www.mozarteumorchester.at
Bilder: Mozarteumorchester /  Pia Clodi (1), Marco Borggreve (2)