Die Sensibilität der Romantik

MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE

08/05/23 Die Sonntagsmatinee des Mozarteumorchesters am 7. Mai sollte ganz Johannes Brahms, der an eben diesem Tag anno 1833 in Hamburg das Licht der Welt erblickt hat, zum 190. Geburtstag gelten. Der Bariton Rafael Fingerlos musste kurzfristigst absagen, der Pianist Herbert Schuch sprang mit Schubert ein.

Von Paul Kornbeck

Man war gespannt auf die Aufführung einer Instrumentierung und Ergänzung der Vier ernsten Gesänge op. 121 von Detlev Glanert. Doch leider musste der dafür engagierte Salzburger Weltklasse-Bariton Rafael Fingerlos wenige Stunden vor dem Konzert absagen. Die menschliche Stimme ist vielleicht das schönste, aber auch das am meisten gefährdete Instrument – ein für unsereinen nicht besonders bemerkenswerter Infekt genügt und sie muss geschont werden. Dem Vernehmen nach hat Fingerlos die Sache in den Proben noch glänzend gesungen. Hoffen wir, dass sich eine Aufführung des interessanten Werks bald einmal nachholen lässt.

Da Brahms die Musik Franz Schuberts sehr liebte und der Schubert-affine Pianist Herbert Schuch zugange war, lag es auf der Hand, eine kurzfristig notwendige Änderung entsprechend zu organisieren.

Herbert Schuch war zur Stelle, denn er hatte vor der Pause das zweite Klavierkonzert von Brahma gespielt, mit der ihm eigenen technischen Perfektion und emotionalen Überzeugungskraft, mit wundersam leisen und herrlich aufbrausenden Momenten. Das Zusammenspiel in diesem monumentalen, symphonischen Stück funktionierte beglückend, denn Maestro Andrew Manze war ein ebenso aufmerksamer wie mitgestaltender Partner und das Orchester agierte trotz großer Besetzung als wahres Kammermusik-Ensemble. Schon der einleitende Hornruf von Paul Pitzek machte gehörig Stimmung. Im Andante, das ja fast eine „Sinfonia concertante“ für zwei Instrumente und Orchester ist, erfreute Solocellist Florian Simma mit beseelter Innigkeit. Schön, dass die Zugabe ein poesievoller Satz für Schuch & Simma, aus Robert Schumanns Stücken im Volkston war.

Nach der Pause spielte Herbert Schuch die Impromptus Nr. 1 und 3 op. 90 Franz Schuberts. Besser und erfühlter kann man solche Kostbarkeiten der frühen Romantik nicht spielen. Da war das Lächeln unter Tränen in dieser zeitlosen, unglaublich vielschichtigen Musik herzergreifend spürbar. Gottlob begann der Applaus nach dem Verklingen gemessen, steigerte sich aber bald zum verdienten Jubel.

Wie geplant, galt das Finale der Sonntagsmatinee den bekannten und beliebten Haydn-Variationen von Brahms. Obwohl das getragene Motiv wahrscheinlich wie die ganze Vorlage („Feldparthie“) nicht von Joseph Haydn stammt, sondern wohl ein altes Wallfahrerlied aus dem heutigen Burgenland ist, gewidmet dem Hl. Antonius von Padua, strahlt es großartige klassische Bläser-Würde aus. Andrew Manze und das hoch motivierte Orchester kosteten die neun Variationen mit feinster Sensibilität und Klangschönheit aus – und am Ende der abschließenden Chaconne durfte noch ein Musiker solistisch brillieren, nämlich Michael Mitterlehner-Romm am Triangel. Wann gibt es dazu schon Gelegenheit? Beschwingt schritt man aus dem Haus in den lauen Frühlingstag.

Bilder: Felix Broede / Benjamin Ealovega