Salzburg – die Hauptstadt der Mikrotöne?

HINTERGRUND / EKMELISCHE MUSIK

29/06/21 Es ist ein kleines Stück spezifischer Salzburger Musikgeschichte: Bevor Mikrotöne – also kleine, quasi „zwischen den Klaviertasten“ liegende Tonschritte in der zeitgenössischen Musik so recht in Mode gekommen sind, gab es hierorts zwei Pioniere.

Von Reinhard Kriechbaum

Unermüdlich experimentierten, untersuchten, berechneten Franz Richter Herf (1920-1989) und Rolf Maedel (1917-2000), wie man die traditionell zwölfstufige Tonleiter in kleinere Elemente zerlegen könnte. „Ekmelische Musik“ nannten die beiden Komponisten und Mozarteums-Professoren diese Versuchsanordnung. Es war tatsächlich eine sichtbare „Anordnung“, denn sie ließen sogar eine „ekmelische Orgel“ bauen, mit mehreren Manualen – die Töne in je einer Reihe waren zu den anderen eben ganz leicht phasenverschoben. Richter Herf und Maedel hatten eine ganz neue Musiktheorie im Sinn, denn diese feinstufigen neuen Gliederungen hätten, so ihre Theorie, ja ganz neue Konsonanzen und Dissonanzen zur Folge, die es erst in ein System zu bringen gälte. Von einem „transzendentalen Tonsystem“ schrieb Maedel einmal in einem seiner vielen Beiträge zum Thema. Von Richter Herf gibt es sogar eine ekmelische Oper, Odysseus (1979).

Heutzutage ist das eigentlich ein alter Hut, aber die am 18. Juni 1981, also vor vierzig Jahren gegründete Internationale Gesellschaft für Ekmelische Musik gibt es immer noch, und sie hat ihren Sitz immer noch in Salzburg. „Die von den beiden Professoren entwickelte Ekmelische Musik hatte Salzburg zu einem neuen Zentrum mikrotonaler Musik werden lassen“, erklärt der Komponist Agustín Castilla-Ávila die damalige Gründungsidee. „So ergab sich die Notwendigkeit, künftige künstlerische und wissenschaftliche Aktivitäten in der Form einer Gesellschaft zu koordinieren.

Ihrer Satzung gemäß fördert die Gesellschaft die Verbreitung der mikrotonalen Musik – insbesondere im 72-stufigen Ekmelischen Tonsystem – durch Veranstaltung von Konzerten, Vorträgen und Symposien, durch Veröffentlichung und Drucklegung ekmelischer Kompositionen, sowie durch Unterstützung der Forschungsarbeit zur Mikrotonalität und Ekmelik. Sie unterhält Verbindungen zu anderen Organisationen weltweit, die im Bereich der mikrotonalen Musik tätig sind.

Immer wieder war die Gesellschaft (Mit)Veranstalterin von Symposien. Da hat man beispielsweise die Möglichkeiten der Naturtöne (auf Blasinstrumenten) untersucht oder den Blick auf Tonsysteme andererb Kulturkreise gerichtet ( West-östlicher Einklang, 2007). Auch heuer, im Jahr des vierzigjährigen Bestehens, richtet man von 30. Juni bis 4. Juli ein Symposion aus – freilich an die Lage angepasst: „Auf Grund der Pandemie werden alle Vorträge online präsentiert und wir werden keine Konzerte ausrichten“, so Agustín Castilla-Ávila. Spezialisten aus Frankreich, China, Schweiz, Großbritannien, Estland, Italien, Deutschland, USA, Österreich, Griechenland, Mexiko, Kanada, Türkei, Chile, Iran, Ukraine, Litauen und Belgien tragen zum Symposion bei. Ein Zeichen, wie allgegenwärtig mikrotonale Musik unterdessen geworden ist.

www.ekmelic-music.org
Bilder: www.ekmelic-music.org / Chris Stockhammer (1)