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Da ist nicht genug Nichts

LANDESTHEATER / JAY SCHWARTZ / KOLLEGIENKIRCHE

14/06/10 "Langsam gelangen wir nirgendwo hin. Langsam." John Cages "Lecture on Nothing", vorgetragen von Sascha Oskar Weis bei der "Langen Nacht des Jay Schwartz" in der Kollegienkirche: Vierzig Minuten brillanter hochmusikalischer "Vortrag über Nichts", ließen das Musikprogramm im Kammermusikteil ein wenig aus dem Lot geraten. "Struktur ist eine Brücke vom Nirgendwo nach Nirgendwo."

Von Heidemarie Klabacher

Schubert, Scelsi und Kurtág als "Vorgruppe" für Jay Schwartz? Ob das klug ist? Notwendig? Auf die klangsinnliche üppige Musik des Amerikaners muss man nicht "hingeführt" werden. Die wirkt unmittelbar und versteht sich qusi son selbst: genau die Art zeitgenössischer Musik, die man auf einer Steppdecke auf dem Rücken liegend konsumieren kann – trunkenen Sinns den Blick im Gebälk (etwa der Salinenhalle auf der Perner-Insel) verlierend. Nur, dass bei der Musik etwa eines Georg Friedrich Haas die Romantik denn doch auf Distanz gehalten wird, während Jay Schwartz Wohlklang pur ist. Seine "Music for Five Stringed Instruments II": Klang-Rausch und Klang-Vollbad.

Trotzdem möchte man immer auch noch eine Quint hinein singen. Tut man natürlich nicht. Zeitgenössische Musik hat ja immer auch mit freiwilliger Selbstbeschränkung (etwa auf 12 Töne) zu tun. Dass das mit der Zurückhaltung auch für das Pult des Zuhörers gilt: Eine neue Erfahrung. Dann spielt das Cello ohnehin die ersehnte Quint: Ekstase.

"Eigentlich" ist man im Theater: "Die lange Nacht des Jay Schwartz" war eine Idee von Bernd Feuchtner, dem Opernchef des Landestheaters. Auf dem Theater darf es emotionaler zugehen, als auf einem verstiegenen Expertenfestival. Aber muss man das Theaterpublikum – auch wenn es der zeitgenössischen Musik tatsächlich ferner stehen sollte – so schulmeisterlich einführen in eine Musik, die sich ohnehin selbst erklärt?

Wenn schon "hinführen": Müsste dann der Weg nicht in die andere Richtung gehen, vom Opulenten zum Diffizilen? In der Kollegienkirche dienten das vierte Streichquartett eines Giacinto Scelsi und György Kurtágs große Miniaturen "Aus der Ferne" und "The Unanswered Question" bloß der "Einstimmung".

Sinngemäß gilt das auch für den ersten Teil des Abends: Das Mozarteumorchester unter Leo Hussain hat auf die Uraufführung von Jay Schwartz' "Music for Orchestra II" hingeführt: mit Jean Sibelius' "Okzeniden" und György Ligetis "Lontano".

Das Stadler Quartett war grandios wie immer. Im spirituellen Zentrum unter Fischer von Erlachs Kuppel: keine Spur von Akustik-Problem. Die ganze "Vorgruppe" – Schubert, Kurtág, Scelsi – wurde mitreißend emotional und gleichzeitig bestechend transparent musiziert.

Zur "Music for Five Stringed Instruments" trat der der Kontrabassist Wolfgang Spitzer zum Stadler Quartett. Bereits der erste Akkord klang wie Schubert, Kurtág und Scelsi gleichzeitig: Überwältigend und herzerwärmend. Aber wie schon John Cage in seiner "Lecture on Nothing" zur Zwölftonmusik gesagt hat: "Es ist zuviel da. Da ist nicht genug Nichts."  Um 23.17 Uhr war zudem bei Ihrer Rezensentin der individuelle Gefrierpunkt in der eiskalten Kirche erreicht. Danach Privataufführung: John Cage "4,33".

Bild: www.jayschwartz.eu

 

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