Sopran-Stürme. Fagott-Feinheit.

MOZARTEUMORCHESTER / MINASI / TILLING

21/09/18 Haydn, Mozart, Beethoven und ein Mozart-Zeitgenosse? Klassischer geht’s nicht? Großer Irrtum. Nur im Programmheft niedergeschrieben war das erste Donnerstagskonzert „Klassik pur“. Im Großen Saal erklungen ist Musik, die die Tore der Klassik weit geöffnet hat Richtung Romantik und weit darüber hinaus.

Von Heidemarie Klabacher

Allein in den beiden Gesangszenen für eine Sopranistin am Rande des Nerven-Zusammenbruchs hat das Mozarteumorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Riccardo Minasi einmal mehr deutlich gemacht, wie radikal ein Joseph Haydn sein konnte, ganz zu schweigen von einem Ludwig van Beethoven: Die Sopranistin Camilla Tilling war die Hauptdarstellerin in Joseph Haydns Szene und Arie Berenice, che fai Hob. XXIVa:10 und in Ludwig van Beethoven Szene und Arie Ah! Perfido! op. 65.

Beide Werke sind weniger Konzertarien, als Opern im Miniaturformat – gemessen an der Bandbreite der Emotionen und musikalisch-technischen Mittel, diese in Musik zu verwandeln. Grandios war am Donnerstag (20.9.) die Umsetzung durch Orchester, Dirigent und Sängerin: Höchstes Energieniveau bei höchster Konzentration auf die Stimmigkeit der jeweiligen Stromstärke in schier jedem einzelnen Augenblick. Wenn die Oper „nur“ zwölf Minuten dauert, wechseln die Stimmungen quasi mit dem Wimpernschlag. Orchester und Sopranistin haben jedem dieser Wimpernschläge die Ausdruckskraft ganzer „Szenen“ verliehen.

Camilla Tillings technische Souveränität wird nur noch von der Klangschönheit ihrer Stimmer übertroffen – und umgekehrt. Im dramatischsten Ausbruch keine Übertreibung, kein Forcieren, im feinsten Pianissimo die Klangfülle einer großen und auch über eine lange Karriere hinweg gut „behandelten“ Stimme voller Wärme und Strahlkraft. Ein Erlebnis!

Eingebettet und dramaturgisch klug positioniert zwischen diese beiden emotionalen Malströmen war mit Anton Eberls Symphonie C-Dur w.o.n. 7 das Herzstück des Abends. Anton Eberl war ein Lehrer und Freund Mozarts, der Witwe und Schwägerin des Komponisten nach dessen Tod noch auf Konzertreisen begleitet hat, erzählt Gottfried Franz Kasparek im Programmheft. Aussucht hat sich das Mozarteumorchester mit der C-Dur Symphonie eine Jugendwerk, in dem viel Mozart und einiges an Haydn spürbar ist. Doch nur kurz würde man sich den Kopf zerbrechen, welche „frühe“ Mozart-Symphonie das denn sei – zu eigenständig in vielen feinen Details kommt dieses feine schwungvolle Werk daher. Riccardo Miniasi hat mit seinem Temperament dem Werk nicht etwa beredt auf die Sprünge geholfen, er hat vielmehr federn und springen lassen, was ohnehin da ist. Mehr Anton Eberl im Konzert, kann man nach der Begegnung mit dieser „Rarität“ nur fordern.

Umrahmt wurden Sopran-Tragödien und Eberl-Symphonie in feinsinniger und inhaltsreicher dramaturgischer Symmetrie von Beethoven und Mozart. Ludwig van Beethoven Ouvertüre c-Moll zum Trauerspiel Coriolan op. 62 war ein „Kracher“ a la Miniasi, harte Bandagen für harte Männer, stählern, unnachgiebig bis zum Zerbrechen: ein perfekter Gegenpol zu den Frauen-Schmerzen in den Arien. Mozarts Symphonie Es-Dur KV 543 begann ebenfalls mit dramatischem Knalleffekt, wurde aber immer differenzierter – bis zum Höhepunkt im zweiten Satz und im delikaten Wechselspiel der Holzbläser und Streicher. Der vierte Satz kam zunächst fast ein wenig zu flott daher, um allen Feinheiten Raum zu geben, aber auch hier begeisterten alsbald die vielen Schattierungen in Lautstärke und Agogik. Mitreißend.

Die Konzerte des Mozarteumorchesters in der neuen Saison - www.mozorch.at/konzerte
Bild: Still aus www.youtube.com