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Naturphänomene

DIALOGE / MÜNCHNER KAMMERORCHESTER

04/12/17 Klangmalerische Naturschilderungen geben der Fantasie des Zuhörers reichlich Nahrung in der Gegenüberstellung von Miroslavs Srnkas Klangbildern und Landschaften von Antonín Dvořák und Felix Mendelssohn Bartholdy. Diese unterschiedlichen Musiksprachen sind beim Münchener Kammerorchester und seinem Chefdirigenten Clemens Schuldt in guten Händen.

Von Elisabeth Aumiller

In „Eighteen Agents“ für 19 Streicher beschäftigt sich der 1975 geborene tschechische Komponist Miroslav Srnka mit dem Phänomen „Schwarmverhalten“, nicht nur in der Tierwelt, sondern findet es auch auf anderen Gebieten wie Informatik oder Militär und nicht zuletzt in der Musik. Mit 19 Streichern formt er die biologische Disziplin in Klänge. Der Eindruck ist zündend. Transparent und filigran sowie auch intensiv und brillant suggerieren die Streicher schwärmenden Insektenflug, flatternde Vögel, summende Bienen oder eine Art Hummelflug, mal in fließenden Linien, dann wieder aufgescheucht, erregt oder bizarr. Die Primgeige symbolisiert den Greifvogel, der den Streicher-Schwarm mehrmals umorientiert in neue Flugrichtung, die schließlich plötzlich und unvermittelt endet.

Srnkas Klangsprache wirkt anschaulich bildhaft, entbehrt nicht zeitgenössischer Elemente, erscheint aber nicht neutönerisch im Sinn von schockexperimentell um jeden Preis, sondern bleibt instrumentengerecht und gibt den Ohren gut fassliches, interessantes Klangfutter.

„No Night No Land No Sky“ für Kammerorchester, 2014 als Teilstudie zu Srnks Oper „South Pole“ komponiert, bringt mit den Bläsern und der Pauke ein erweitertes Spektrum. „Die Musik bewegt sich die ganze Zeit in fließenden Kurven und sucht nach Bezugspunkten und Klangtemperaturen“, definiert der Komponist die vorherrschende Thematik. Die Fantasie des Zuhörers nimmt kristalline Farben wahr, ein Schlittern über Schnee und Eis, feine Geräusche wie Luftzug oder zu Ton gewordenes Klirren von Kälte. Pizzikati der tiefen Streicher, virtuose Glissandi am Kontrabass, Soloeinsatz vom Horn, dann lange Haltetöne im Wechsel von Klarinette, Flöte oder Fagotten ergeben über und mit den Violinen ein reiches oszillierendes Tönen.

Zwischen den beiden Srnkas streichelt die Romantik böhmischer Klangsinnlichkeit das Gemüt mit Antonín Dvořáks Serenade E-Dur op. 22 für Streichorchester. Clemens Schuldt lässt seine Streicher elegant tanzen und bringt sie so recht zum schwelgerischen Klingen, sei es in den untermischten fröhlichen Volksmelodien, sei es in zarter Melancholie oder in sich steigernder großer Geste. In fabelhafter Klangbalance zeigen sich die Musiker vieler köstlicher Nuancen fähig. Der wunderbare langsame Mittelsatz ist reiner Genuss und mutet wie ein glücklicher Spaziergang durch lieblich blühende Landschaft an.

In der Konzertouvertüre „Die Hebriden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy erweisen sich Schuldt und seine Musiker, hier mit den fabelhaften Bläsern angereichert, als ebenso exzellenter Klangkörper. Auch hier ist die Natur klangmalerisch geschildert in stimmungsvollen Reiseeindrücken aus Schottland. Die andere, strengere Charakteristik der nordischen Natur kommt klar zum Ausdruck. Als Inbegriff der Romantik erfreut sich dieses Stück großer Beliebtheit, kommt in der Wiedergabe des Münchener Kammerorchesters mit Schuldt ohne Sentimentalität aus und gefällt in beinahe schlichter aber prägnanter Formgebung.

Bilder: dpk-Aumiller

 

 

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