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Mord und Tod und Emotion

DIALOGE / ERÖFFNUNG

01/12/17 Die eine findet ihren Geliebten tot im Wald. Die andere weiß, dass sie sterben wird. Zwei Frauen in emotionalen Extremsituationen kommen zu Wort in Arnold Schönbergs „Erwartung“ und Miroslav Srnkas „My Life without me“. Eine spannende Dialoge-Eröffnung mit einer grandiosen Laura Aikin und wie immer hervorragenden dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik.

Von Heidemarie Klabacher

Es geht auch ohne schwarze Marmor-Bank. Obwohl in Salzburg natürlich die Erinnerung an Jessye Norman im Großen Festspielhaus inszeniert von Robert Wilson das kollektive Gedächtnis zu Arnold Schönbergs Monodram „Erwartung“ dominiert. Wenn „die Frau“ im Stück sich „in die Nähe von Baumgruppen schleppt, unter denen es vollständig Dunkel ist“ und erschöpft seufzt „eine Bank“ – dann weiß man auch wieder, warum im Foyer des Großen Festspielhauses besagte Bank noch immer einlädt zum Drüberstolpern oder zum eleganten Niederlassen in huldvoller Erwartung des Herren, der den Mantel aus der Garderobe holt: Es ist die emotional wohl aufgeladenste Bank der Operngeschichte und ein Wunder, dass der Marmor so kühl bleiben kann.

Falsche Spielstätte, falsche Salzachseite. Die Bank-Assoziationen schufen sich auch nur für Augenblicke Raum in der Erinnerung. Bei den Dialogen im Großen Saal des Mozarteums ging es im großzügig ausgeräumten Großen Saal ganz ohne Bank und Wiener Philharmoniker. Das Österreichische Ensemble für Neue Musik oenm spielte eine reduzierte Fassung von Arnold Schönbergs Monodrama „Erwartung“ op. 17 für Sopran und Kammerorchester in einer Bearbeitung von Faradsch Karaew.

Die Sopranistin Laura Aikin wusste in einem – schlichten, dennoch beinahe klimt-goldenen – Kleid die expressionistisch-symbolistisch aufgeladene Szene mit virtuoser Gestaltungskraft zu vermitteln. Ohne nur irgendeine „Szene“ zu machen, in klassischer Konzertmanier hinter dem Notenpult stehend, entfaltete die Sopranistin unter dem Goldstuck des Großen Saals ein atemberaubendes Fin-de Siecle-Drama.

Johannes Kalitzke leitete das Österreichische Ensemble für Neue Musik, öffnete einen neuen Blick in glasklaren – erhellend durchhörbar musizierten – Abgründe der Musik Schönbergs aus 1909. Die Reduktion tut der Intensität keinen Abbruch. Im Gegenteil. Den emotional aufgeladenen sexuell konnotierten Text der jungen Dichterin und späteren Ärztin Marie Pappenheim brachte Laura Aikin bei aller Expressivität bestens wortverständlich über die Rampe. Ihre virtuose Leichtigkeit in der Tongebung in allen Lagen und ihre facettenreichen Klangfarben mit unzähligen Schattierungen der Düsternis (Wer hat denn den Geliebten jetzt wirklich ermordet?) haben begeistert.

Auch in Miroslav Srnkas „My Life without me”, ebenfalls ein „dramatisches” Werk, basierend auf dem Drehbuch des gleichnamigen Films von Isabel Coixet (der ebenfalls bei den Dialogen auf dem Programm steht). Im Gegensatz zu Pappenheims Text kommen die Zitate aus dem Film nicht ganz ohne Sentimentalität aus. Immerhin ist es eine Ehefrau und Mutter, die weiß dass sie sterben wird und die für ihre Lieben, dass Leben ohne sie bestmöglich vorbereiten will... Miroslav Srnka „untermalt“ dies im Wortsinn mit schönen opulenten Klängen, auch ein wenig „zeitgenössisch“. Die Radikalität Schönbergs aus dem frühen 20. Jahrhundert kommt im unmittelbaren Vergleich mit solch lieblicher Zeitgenössischkeit des 21. Jahrhundert freilich noch viel stärker zu Bewusstsein. Unnötig, ja fast störend, war die das Verlesen der Übersetzung, durch Meike Droste. Durch den Versuch, zu schauspielern, wurde das ohnehin emotionsgeladene Stück seiner Chance auf künstlerische Distanz wenigstens durch die englische Sprache beraubt. Laura Aikin sang – hier wird tatsächlich mehr gesungen als rezitiert – mit atemberauben Pianissmi. – Ein bewegender Abend.

Bilder: ISM/Wolfgang Lienbacher
Dialoge –  bis Sonntag (3.12.) - www.mozarteum.at

 

 

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