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Musizieren mit innerem Feuer

WIENER SAAL / QUATUOR AROD

22/11/17 Vier junge Herren aus Frankreich spielen Streichquartett. Das Quatuor Arod nennt sich so nach einem feurigen Pferd aus dem „Herrn der Ringe“ und es macht seinem Namen alle Ehre. Was es spielt, hat inneres Feuer. Doch zu lodernder Expressivität kommt bewundernswerte Präzison.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die Geiger Jordan Victoria und Alexandre Yu, der Bratscher Corentin Apparailly und der Cellist Samy Rachid machen schon nach wenigen Takten des Mozart-Quartetts in d-Moll KV 421 klar, dass der apollinische Götterjüngling Amadeus hier nichts zu sagen hat, sehr wohl aber der in die Tiefen und Abgründe des Gefühls schürfende Wolfgang Amadé. Der Kopfsatz wird zum Panorama dunkler Leidenschaften, gebändigt durch eine eher schroffe, kantige Spielweise, die zielstrebige Energie vermittelt. Im gleichsam suchenden Andante und im herben Menuett setzt sich das zwingend fort – und wird jäh ganz wundersam kontrastiert, durch das lyrisch tänzelnde Trio, eine romantische Serenade, in der die erste Geige leuchtende Farben aufträgt. Joseph Haydns Vorbild wird im vielgestaltigen Finale mit poetischen Viola- und Cellosoli spürbar, doch die strenge Grundstimmung bleibt erhalten. Mozart als visionärer Wegbereiter der Romantik, ja der Moderne – und das ist er ja auch in Stücken wie diesem.

Benjamin Attahir, Franzose mit Wurzeln im Libanon, 28 Jahre jung, eilt in seiner Heimat als Komponist, Geiger und Dirigent von Erfolg zu Erfolg. Er ist zwar einer der letzten Schüler von Pierre Boulez und hat fraglos beim Altmeister viel gelernt, aber er schert sich nicht um serielle oder sonstige musikalische Ideologien, sondern schreibt prachtvolle, klangsensible, hoch emotionale Musik. Das erst im Oktober in Paris uraufgeführte Streichquartett „Al’Asr“, Teil eines unterschiedlich besetzten Zyklus über islamische Rituale, schildert in durchaus romantischem Sinn die Stimmung des Nachmittagsgebets in Beirut. Da herrschen „blendendes Licht, drückende Hitze, die flimmernde Luft am Horizont“, so der Komponist. Dies wird hörbar, in freier Tonalität, Motive aus nahöstlicher Musik sehr persönlich verarbeitend. Attahir verfügt über eine eigene, mitreißende Rhythmik, scheut nicht zurück vor melodischer Schönheit und dramatischer Attacke. „Poesie und Allegorie“ sind ihm wichtig und aus der frei gesetzten Motorik entsteht meditative Trance mit hohem Pulsschlag. Mit dem phänomenalem Quatuor Arod vergehen die 25 pausenlosen Minuten wie im Flug.

Nach der Pause wieder ein „Jugendwerk“, nämlich das a-Moll-Quartett op. 13 von Felix Mendelssohn Bartholdy, in dem der 18jährige Jüngling einerseits das Erlebnis der späten Beethoven-Quartette, andererseits seine erfolglose Liebe zu einer schönen Singakademie-Kollegin sublimierte – besser gesagt, herausschrie. So akzentreich, im Wechselspiel zwischen Drängen und Verharren, in perfekter Klangdramaturgie und mit erstaunlichen Schärfen interpretiert das Quatuor Arod diesen Geniestreich. Am Ende bleibt eine verklingende Reise ins Ungewisse und gottlob wartet das Publikum im Wiener Saal mit dem begeisterten Applaus, bis die Bögen gesenkt werden. Mit Mendelssohns spritzigem Capriccio op. 81 wird der Jubel belohnt. Auf baldiges Weisersehen!

Bild: www.quatuorarod.com

 

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