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Da sprudeln nur so die Ideen

CD-KRITIK / STYLUS PHANTASTICUS

07/05/10 Vielleicht sollte man, bevor man morgen, Samstag (8.5.), das Konzert der Bachgesellschaft in der Pfarrkirche Mülln ansteuert, hineinhören in die CD mit Werken des „Stylus phantasticus“, die Annegret Siedel (Violine) und ihr Ensemble „Bell'Arte Salzburg“ eingespielt haben.

Von Reinhard Kriechbaum

Manchmal glaubt man, dass sich die Ideen gegenseitig den Rang abzulaufen trachten, dass die musikalischen „Vokabel“ im Wettlauf miteinander sind. Es sprudelt jedenfalls nur so an „Klangrede“ aus den Sonaten und anderen Werken der vorwiegend norddeutschen Meister, denen Annegret Siedel diese CD gewidmet hat. „Stylus phantasticus“ - das ist so etwas wie eine brocke Frühlingswiese. Solange man nicht Pollenallergiker ist, kann man seine helle Freude haben am dichten Teppich der Gewächse und Blüten. Ein reiches Betätigungsfeld für Aufführungspraktiker!

Es ist eine Musik, die hierzulande gar nicht so häufig gespielt wird, die aber auf Johann Sebastian Bach deutlich abgefärbt hat. Dietrich Buxtehude, Johann Adam Reincken, Matthias Weckmann kennen zumindest die Orgelfreunde. Dass diese Meister und noch ein Halbdutzend von Kollegen vor allem auch die Geigenliteratur um höchst virtuose Dinge bereichert haben, wird rasch klar, wenn man diese CD auflegt. Da gab es also, neben Corelli in Italien, neben Biber und Kollegen im süddeutsch/österreichischen Raum und neben den „Grand Violons“ am französischen Hof, auch in Norddeutschland, Hamburg, Bremen und Lübeck zum Beispiel, einen durchaus eigenwilligenund eigensträndigen Geigenstil. Als „Stylus phantasticus“ ist er schon bald von Zeitgenossen bezeichnet worden. Bach hat ihn gut gekannt. Wenn morgen Samstag (8.5.)  Annegret Siedel und ihr Ensemble „Bell'Arte“ zwei Hochzeitskantaten, das Fünfte Brandenburgische Konzert und die h-Moll-Ouvertüre hören lassen, so finden sich in all diesen Stücken mehr als Spurenelemente von den Kollegen, denen Bach aufmerksam lauschte.

Johann Vierdanck, Johann Schop, Thomas Baltzar, Dietrich Becker, Samuel Peter Sidon, Johann Caspar Förster: Kaum jemanden werden diese Namen von Komponisten je untergekommen sein. Da gilt es also Neuland zu entdecken, und Annegret Siedel ist eine technisch wie stilistisch dafür höchst kompetente Reiseführerin. Die Geigerin Ulrike Titze, der Gambist Matthias Müller, der Cembalist Zvi Meniker und Margit Schultheiss an einer historischen Hamburger Orgel: Da ist ein Grüppchen von engagierten, mutigen Geistern beisammen für Werke, in denen die Gedanken Flügel bekommen.

„Stylus phantasticus“, Werke von Buxtehude, Becker, Förster, Reincken u.a., Bell'Arte Salzburg, Ltg. Annegret Siedel. Berlin Classics. www.edel.com
Das Konzert der Bachgesellschaft mit Annegret Siedel, Bell'Arte und Susanne Rydén (Sopran) findet morgen, Samstag, um 20 Uhr in Mülln statt. Unter anderem sind zu hören die Hochzeitskantaten „Weichet nur, betrübte Schatten“ und „O holder Tag, erwünschte Zeit“. - http://www.salzburger-bachgesellschaft.at/

 

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