asdf
 

Mehr „Groll und Unlust“ als „Sturm und Drang“

MOZARTWOCHE / AKADEMIEORCHESTER / ION MARIN

03/02/23 Das im Herbst ins Leben gerufene Akademieorchester der Universität Mozarteum Salzburg trat erstmals mit einer Matinee in der Mozartwoche in Erscheinung. Es soll mit einem jeweils für ein Jahr festen Bestand von 25 Kern-Mitgliedern „Leuchtturmcharakter“ für den Orchesterbereich haben.

Von Gottfried Franz Kasparek

Man darf sich an die Entstehung der Camerata Academica erinnern. Eigenartig, dass diese Erinnerung auch in Anbetracht der Mozart-Interpretation auftaucht. Am Pult stand Ion Marin, der anno 1987 von Claudio Abbado nach einem erfolgreichen Wozzeck-Dirigat als Assistent an die Wiener Staatsoper verpflichtet wurde. Der 1960 geborene Rumäne, seit 1988 in Österreich eingebürgert, hat sich in in aller Welt mit einem breiten Opern- und Konzertrepertoire einen guten Namen gemacht. In seiner Urheimat leitet er mittlerweile auch an El Sistema erinnernde, sehr wichtige Musikprojekte für arme Kinder. Im Herbst 2020 kehrte er als Dirigierprofessor an das Mozarteum zurück, an dem er in jungen Jahren beim legendären Carlo Zecchi studiert hatte. Ion Marin ist ein vielseitiger Kapellmeister der alten Schule, von dem man gewiss viel lernen kann.

Seine Mozart-Sicht scheint allerdings nicht nur von Abbado, sondern mehr noch von Karl Böhm, wenn nicht sogar von Bernhard Paumgartner her zu kommen. Was das natürliche Atmen mit der Musik betrifft, lugt ihm sein „Landsmann“ Sándor Végh (geboren in Koloszvár/Cluj/Klausenburg, aber noch in der Monarchie) mitunter ein wenig über die Schultern. Das sind die schönsten Momente. Das junge Orchester, dies gleich vorweg, gibt sein Bestes und steht der Camerata in den Sechzigerjahren sicher um nichts nach. Vibriert wird natürlich heute weniger, aber alles klingt sehr kompakt und kraftvoll.

Erstaunlich, dass der Schreiber dieser Zeilen am Beginn plötzlich tatsächlich Böhm und die Wiener Philharmoniker im Musikverein im Geiste vor sich sah. In dieser Konstellation hat er nämlich erstmals Mozarts Erste Symphonie Es-Dur KV 16 erlebt, so um 1975 herum. Dazumal wurde auch alles sehr schön musiziert, war eher gemütlich temperiert und recht mächtig besetzt. Selbstverständlich ohne Continuo, das auch diesmal fehlte. Nun, man muss wahrlich kein großer Liebhaber des Hammerklaviers in der klassischen Symphonik sein, aber 1765 in London war ein solches oder ein Cembalo in der Tat noch unausweichlich. In der folgenden Kassation, eigentlich „Final-Musik“ KV 63 vermisst man das Tasteninstrument weniger, denn mit dem lässt sich nicht sehr gut marschieren. Das Stück des 13jährigen Wolfgang Amadé zur Feier des Studienendes in Alt-Salzburg erfreut auch in eleganter Weichzeichnung mit seiner jugendlichen Phantasie, einem wundersam sensiblen Andante und einem kleinen, feinen Rokoko-Concertino für Violine und Orchester im Adagio, welches Konzertmeister Alexander Norman Hobbs so genussvoll und mit edlem Ton auskostete, dass er es vor der Pause als Zugabe gleich noch einmal spielen durfte.

Nach der Pause stand die „kleine“, in Wirklichkeit ganz schön große g-Moll-Symphonie KV 183 auf dem Programm, entstanden 1773/75, ein aufregendes Werk aus der Hochblüte des „Sturms und Drangs“. Mozarts Zeitgenosse Christian Friedrich Daniel Schubart, ein Vordenker der frühen Romantik, hörte da gar „Groll und Unlust“ heraus. Mag sein, dass solche Gefühle eine Rolle spielen, vor allem im Andante, doch meist stürmt es da kurz vor Goethes „Werther“-Welterfolg aus einer fast schon Schubert'schen Tiefe heraus. Und ja, man kann dieses oft bestürzend intensive, himmelhoch jauchzende und gleich darauf zu Tode betrübte Werk als genialen Blick in die Zukunft, sogar als wohl unbewusste Manifestation romantischer Gefühlseruptionen sehen und hören – aber man sollte bitte auf die Herausarbeitung der scharfen Kontraste im eröffnenden Allegro con brio und im Finale nicht vergessen. Diesmal war das Brio extrem schaumgebremst und lastende Schwere machte sich breit. Es gab leuchtende Hornpassagen und samtene Streicherpassagen, doch die Leuchtraketen, die Mozart hier gezündet hat, blieben in so etwas wie einer gediegenen Brahms-Stimmung stecken und wirkten ziemlich harmlos.

Im recht schütter besetzten Großen Saal des Mozarteums gab es am Dienstag (1.2.) zur Vormittagsstunde dennoch viel Applaus. Auf die weitere Entwicklung des „Akademieorchesters“ darf man gespannt sein.

mozarteum.at/mozartwoche
Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014