Verweile doch, du bist so schön

MOZARTWOCHE / MAHLER CHAMBER ORCHESTRA / MITSUKO UCHIDA

30/01/23 Einen Tag nach einer Konzert-Offenbarung in Sachen Mozart (Igor Levit, Wiener Philharmoniker) eine weitere Sternstunde partnerschaftlichen Gestaltens: Dame Mitsuko Uchida, in England geadelt, und das in Berlin beheimatete Mahler Chamber Orchestra im Großen Saal des Mozarteums.

Von Horst Reischenböck

Was für eine Entwicklung von Wolfgang Amadé Mozarts definitiv erstem, eigenständigen Klavierkonzert bis zu seinem letzten. Vor dem festliche Stimmung verbreitenden D-Dur-Konzert KV 175 hatte Mozart ja lediglich Vorlagen seiner Zeitgenossen arrangiert. Dieser Konzert-Erstling ähnelt in seinen Ecksätzen einer Erweiterung jenes Typs von Epistelsonaten, die Wolfgang in Salzburg in großer Zahl für den Dom zu schaffen und dort selbst zu spielen hatte. Das erklärt auch den beschränkten Tonumfang des Soloparts lediglich bis zum dreigestrichenen „d“. Die Kirchenorgeln der damaligen Zeit reichten bestenfalls bis dahin (oft gar nur bis zum „c“). Und die Angabe Clavier meinte noch alle Art an Tasteninstrumenten.

Wer hätte damals den von Mitsuko Uchida favorisierten Steinway vorausahnen können? Die Künstlerin befleißigte sich trotz der Möglichkeiten, die ein moderner Flügel bietet, strikt der von Mozarts Hand überlieferten Kadenzen, nur in ihrer eigenen Kadenz für das abschließende Allegro ging sie weit über die Möglichkeiten der damaligen Zeit hinaus.

Brillant korrespondierte Mitsuko Uchida mit dem blendend aufgelegten Mahler Chamber Orchestra, dem Naturtrompeten strahlende Glanzpunkte aufsetzten. Warum nicht auch ebenfalls ventillose Inventionshörner? Die beiden Horn-Partien sind erst im Andante etwas mehr exponiert, stellen sonst aber keine Ansatzprobleme, zudem der Solopart darüber mit gleichsam funkelnden Edelsteinen ablenkt.Für eine Aufführung in Wien komponierte Mozart als Ersatz für den Finalsatz des Frühwerks das Rondo KV 382 – schade, dass dieses nicht nachgereicht wurde. Stattdessen ließ man ein Jugendwerk folgen, die Sinfonie in F-Dur KV 43. Man könnte das Stück, analog zur Pariser, Linzer oder Prager Sinfonie, als Olmützer Sinfonie bezeichnen. Eine Umbauphase war nötig, damit das von Konzertmeister José Maria Blumenschein energisch angeführte Mahler Chamber Orchestra, die Cellisten ausgenommen, diese Sinfonie im Stehen ausführen konnte, wie es früherer Praxis entsprach. Besonders das sanfte Andante – „con sordino“, also mit gedämpften Saiten – bezauberte durch die von Mozart in Tschechien wohl wegen seiner Pockenerkrankung aus dem Ascanio in Alba entlehnten Fürbitte. Das Menuetto samt als Kontrast dazu solistisch ausgeführtem Trio lieferte die anregende Einladung zum Tanz und wirbelte schwungvoll in den abschließenden Kehraus.

Mit dem B-Dur-Klavierkonzert KV 595 war schließlich der Zenit von Mozarts Konzertschaffen erreicht. Trotz aller darin ambivalenten Stimmungen wäre es müßig, in diesem Werk den Schlusspunkt eines erst 35jährigen zu sehen. Wie hätte sich dieses Oeuvre weiterentwickelt? Abgeklärt, weise und zum Schluss in der Vorwegnahme des Mailieds fast resignativ: Was hätte Mozart uns noch alles schenken können?

Mitsuko Uchida und das von ihr vom Flügel aus mit dem Rücken dem Auditorium zugewandt geleitete Orchester bildeten erneut ein Herz und eine Seele. Sie stimmten in allen Ritardandi, in allen dynamischen Schattierungen perfekt überein. Das wirkte über weite Strecken hinweg schon fast überirdisch und hätte nie enden mögen – das empfanden die schließlich jubelnden Zuhörer offenbar genau so.

Der Zugabe im selben Geiste, dem ebenso nachdenklichen gezeichneten Andante cantabile aus der C-Dur-Sonate KV 300h (330), folgte atemlose Stille. Eine einzelne Rose zum Dank dafür war eigentlich viel zu wenig...

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher
mozarteum.at/mozartwoche