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Energieschübe für die Gottesmutter

MOZARTWOCHE / LA CETRA BAROCKORCHESTER & VOKALENSEMBLE

31/01/20 Ein Gutes hat es, wenn ein Sänger ein Festival leitet: Es kommen Vokalwerke zur Aufführung, die sonst selten im Konzert erklingen. Wie die „Lauretanische Litanei“ am Donnerstag (30.1.) in der lauten aber glückhaften Interpretation von La Cetra Barockorchester und Vokalensemble.

Von Heidemarie Klabacher

Es gibt Aufführungen, da fehlt in Salzburg tatsächlich ein Konzertsaal „dazwischen“. Für die – bei aller Delikatesse im Detail – kraftvolle bis lautstarke Interpretation von La Cetra dünkte der Große Saal tatsächlich ein wenig klein. Wände und Stuck schienen sich nach außen zu wölben angesichts des Anpralls purer Energie. Die Gottesmutter, nicht selten frömmelnd angesäuselt, hat vielleicht gar nichts dagegen gehabt, einmal mit ungenierter Kraft gepriesen zu werden.

So ein Turm Davids braucht schon ein kräftiges Fundament, genau wie – angesichts des spezifischen Gewichts des Edelmetalles – ein Goldenes Haus. Mit solchen und noch viel merkwürdigeren Vergleichen wird Maria in der Lauretanischen Litanei gepriesen: Im regen Wechsel von Chor und Solisten wird die unversehrte (was immer das sein mag) Mutter, die ehr- und lobwürdige Jungfrau angerufen, das geistliche Gefäß, die Rosa Mystica (eine der sinnvolleren Preisungen) oder die Königin der Patriarchen, Märtyrer oder Bekenner.

Vor allem der Solosopran ist gut befasst damit, Koloraturen und Linien aus feinstem Gold zu spinnen über dem kostbaren Sound, den der Chor beizusteuern hat: Solcherlei hat man einst als goldgeprägte Heiligenbildchen mit feinstem Spitzenrand an den Devotionalien-Ständen vor Wallfahrtskirchen verkauft. Heutzutage kaum mehr zu bekommen und von Sammlern eifersüchtig gehütet. In der klingenden Variante kriegt man sie auch nur selten zu fassen, diese grandiose Balance zwischen den bewegenden Passagen des Flehens in den unzähligen Rufen „Ora pro nobis“ und den vielfältigen fromm-bizarren Anrufungen. Als Heil der Kranken in der Lesart von La Cetra unter der Leitung von Carlos Federico Sepúlveda stellt man sich Maria als eine strenge Oberschwester altmodischen Zuschnitts (mit Häubchen) vor. Als Hilfe der Christen als eine strenge Ritterin, die die Feinde nur so vom Felde fegt.

Das harmonisch schillernde Parce nobis, Domine, das aufwühlende Verschone uns, o Herr im abschließenden Agnus Dei enthält in der Komposition noch alles Geheimnisvolle und Mystische, das aus der Kirche längst erfolgreich verdrängt worden ist. Nur mehr musizierende Hüter des Mysteriums wie La Cetra Barockorchester und Vokalensemble halten sowas lebendig.

Der Kern des Vokalensembles besteht aus Absolventinnen und Absolventen der Schola Cantorum Basilensis. Maestro al Coro in Basel ist Carlos Federico Sepúlveda, der im Großen Saal erlebt werden konnte – als „Einspringer“ für den erkrankten Andrea Marcon, den Leiter des Instrumentalensensembles. Die Solisten Carolyn Sampson (Sopran), Margriet Buchberger (Sopran), Julian Prégardien (Tenor), José Antonio López (Bass) sollen nicht unerwähnt bleiben, den Sopranistinnen durchaus ein wenig gehuldigt werden.

So temperament- wie geheimnisvoll, so verinnerlicht  wie ungeniert lauthals, ist die Litaniae Lauretanae B.M.V. für Soli, gemischten Chor, Orchester und Orgel KV 195 wohl nicht einmal bei der Uraufführung anno 1774 im Dom dahergekommen. Es gibt auch Heiligen oder Sakraments Litaneien, die alle genauso selten im Konzert und leider gar nicht mehr in der Liturgie vorkommen.

Das war zur Mozartzeit noch anders, als im Dom zu Salzburg jeden Samstag, an allen Marienfesten und deren Folgetagen Litaneien aufgeführt wurden, wie Ulrich Leisinger im Almanach berichtet. Ulrich Leisinger spielte an diesem Mozart-Hochfest während der Mozartwoche eine zentrale Rolle: Es erklang das zweite Werk des Abends, die Missa c-Moll KV 427, in der „Fassung“ des Chef-Musikwissenschaftlers der Stiftung Mozarteum, die erst vorigen Festspielsommer ihre Premiere gefeiert hat. Die c-Moll Messe ist ja ein Fragment. Vor allem das Credo ist in der Leisinger-Fassung wieder einer möglichen Mozart-Intention angenähert. Hat mit den Posaunen-Stimmen zu tun und kann im Detail andernorts nachgelesen werden.

War die Wiedergabe der Litanei kraftvoll, so muss man die Wiedergabe der Messe stürmisch nennen. Und es gibt Augenblicke der Ruhe in jedem Sturm. Dann stehen, wie in dieser Interpretation - Welt und Atem still.

ORF-Sendung - Dienstag 11. Februar 19.30 Uhr Ö1
www.mozartwoche.at 
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher
Zur Hintergrundgeschichte über die „neue“ c-Moll-Messe
Die Posaunen lügen nicht
und deren Uraufführung bei den Festspielen 2019
Mal richtig gut zum Durch-Hören

 

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