Mozarts Geist und russische Seele

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / GERGIEV

04/02/18 Das „Ave Verum“ hat Tschaikowski aus einer Klavier-Transkription von Franz Liszt übernommen. Der schlichte Vokalsatz Mozarts wurde über diese Bearbeitungs-Stationen zu einer Sphärenmusik voll Harfenklang über reichem Holzbläsersatz - wie geschaffen für die Delikatesse der Wiener Philharmonischen Bläser. Valery Gergiev zeigte sich von einer ganz sanften Seite.

Von Heidemarie Klabacher

Die Lebensfreude einer „gesunden, unversehrten, nicht von Reflexion zersetzten Natur“ glaubte Peter Iljitsch Tschaikowski in der Musik Mozarts zu finden. Ein zweifelhaftes Kompliment und wohl auch nicht ganz ernst gemeint. Für seine vierteilige Orchestersuite Nr. 4 G-Dur op. 61 „Mozartiana“ hat Tschaikowski Werke von Mozart ausgesucht, die keineswegs sprühen von unreflektierter Lebensfreude. Die kontrapunktisch-sperrige Gigue KV 547 und das eher schwerblütige Menuett KV 355 kamen in der Lesart der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Valery Gergiev am Samstag (3.2.) bei der Mozartwoche im Großen Festspielhaus denn auch transparent, durchhörbar und geradlinig im Klang daher, bestens ausbalanciert ohne den getragen Duktus zu verleugnen. Die „Motette Ave Verum“ KV 618 erblühte in romantischer Bläser-Manier, von der Harfe überglänzt – und auch á la Tschaikowski noch immer erstaunlich demütig.

Musikantisch tänzerisch, aber weiterhin eher delikat als deftig, ließ Valery Gergiev den letzten Satz der „Mozartiana“ musizieren: „Unser dummer Pöbel meint“ ist eine Arie aus Christoph Willibald Glucks Oper „Die Pilger von Mekka“, Mozart schrieb darüber die Variationen KV 455 für Klavier und Tschaikowski machte daraus ein Folge spritziger Konzertminiaturen für die Bläser.

Mit der Ouvertüre zur Oper „La clemenza di Tito“ KV 621 und dem Konzert A-Dur für Klarinette und Orchester KV 622 standen Werke ganz vom Ende des Köchelverzeichnisses aus Mozarts Todesjahr 1791 auf dem Programm. Jörg Widmann, dem bei der Mozartwoche eine Personale gewidmet war, entfaltete die virtuosen Passagen der Ecksätze und die großen Linien des Adagio mit der ihm eigenen technischen Souveränität, aber quasi aus dem Orchester heraus, beinahe ohne als Solist „hervorzutreten“. Da auch schon das Ave Verum zu den ganz späten Mozartwerken gehört, eignete dem Gesamtprogramm eine besonders überzeugende dramaturgische Geschlossenheit.

Delikatesse in der kleinen Form zeigte auch die Wiedergabe von Tschaikowskis Serenade C-Dur für Streichorchester op. 48. Valery Gergiev spannte mit den „Wienern“ quasi einen einzigen großen Klangbogen - von der barock anmutenden Einleitung und den romantisch-mozartischen Motiven von Allegro und Valse über die klangvolle Melodik der Elegie bis zum tänzerisch-russischen, keineswegs folkloristsichen, Finale.

Bilder: ISM/Wolfgang Lienbacher