Klarheit und Tiefe in c-Moll

MOZARTWOCHE / SIR ANDRAS SCHIFF

25/01/18 Die seit Jahrzehnten als erste ausverkauften Konzerte zählen zugleich zu den aufregendsten Begegnungen bei der Mozartwoche: Die beiden Matineen mit András Schiff und seiner Capella Andra Barca sind legendär, aber nicht museal. Ein Stück, das unter den Händen von Sir András hervorgeht - und sei es noch so bekannt – ist immer auch eine Art Uraufführung.

Von Heidemarie Klabacher

Eine Institution, der ein begnadeter, neugieriger, immer neue Wege suchender und findender Künstler wie András Schiff seit Jahrzehnten Jahr für Jahr die Treue hält, darf sich glücklich preisen. Intendanten, künstlerische Leiter oder sonstige Programmverantwortliche mögen kommen und gehen. Das fällt höchstens in Details auf. An zeitgenössische Musik – oder auch nur an „Nicht-Mozart“ – im Programm hat sich das treue Mozartwochen-Publikum gewöhnt. Nicht nur gewöhnt, wie es scheint: Dass die Ohren geschärft werden, dass vertrautes Stück Mozart wie „frisch komponiert“ klingt, wenn zuvor ein Widmann oder ein Haas gespielt wurde – dass weiß auch das treueste Publikum inzwischen zu erkennen und zu würdigen. Nicht fehlen bei der Mozartwoche darf András Schiff.

Die jüngste Begegnung – im dreiteiligen Zyklus mit Werken von Bach und Bartók, Janáček und Schumann bei den vergangenen Festspielen – ist als bleibendes Konzerterlebnis in heller Erinnerung. Bei der morgen Freitag (26.1.) beginnenden Mozartwoche spielt Sir András Schiff Mozart und Bach. Und zwar Bach und Mozart in c-Moll: Die Konzerte c-Moll für zwei Klaviere und Streichorchester BWV 1060 und BWV 1062 und Auszüge aus dem „Musikalisches Opfer“ BWV 1079 stehen auf dem Programm, sowie die Serenade c-Moll für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte KV 388 „Nacht Musique“ und das Konzert c-Moll für Klavier und Orchester KV 491. Klavierpartnerin von András Schiff ist Schaghajegh Nosrati.

c-Moll also. Es heißt ja, dass die Stücke eines Konzerts in unterschiedlichen Tonarten stehen sollen, um „das Ohr“ nicht zu ermüden. Die Ermüdungsgefahr wird man bei Schiff – und einer Pianistin, die ein Sir András an seine Seite holt – einfach einmal ausschließen. Wenn die Tonarten-Dramaturgie nur eine einzige Tonart anbietet, besteht ja durchaus auch die Chance, dass eine ganz eigene Art der Konzentration möglich wird.

Johann Mattheson beschreibt die Tonart in seinem 1713 in Hamburg erschienenen Buch „Das neu-eröffnete Orchestre“ folgendermaßen: „c-Moll ist ein überaus lieblicher dabey auch trister Tohn.“ Für Mattheson überwiege das „Liebliche“, man könne sogar „des Süssen leicht überdrüßig werden“. Es sei daher „nicht übel getan“ eine eher muntere Bewegung anzustreben sonst möge der Hörer „leicht schläffrich werden“. Der Musikwissenschaftler Alexander Odefey schreibt in seinem Almanachtext weiter über die Tonart c-Moll: „In Schriften aus den 1690er-Jahren von französischen Theoretikern wie Marc-Antoine Charpentier, Jean Rousseau und Charles Masson wird dagegen weniger die ‚Lieblichkeit‘ als der von Mattheson ebenfalls angeführte traurige Charakter der Tonart hervorgehoben, indem dort explizit ihre Eignung für klagende Themen erwähnt wird.“

Durch die sich verbreitende „temperierte Stimmung“ seien die „objektiven Charakteristika“ der einzelnen Tonarten im Laufe des 18. Jahrhunderts zwar verloren gegangen, doch hätten „immer wieder Komponisten bestimmte Tonarten bevorzugt herangezogen und diese nicht selten mit einem speziellen Ausdrucksgehalt in Verbindung gesetzt. Im Falle von c-Moll waren das unzweifelhaft Mozart und Beethoven, die der Tonart für die folgenden Jahrzehnte den Charakter des Pathetischen, Dramatischen und Tragischen aufprägten.“

Werke mit einer Moll-Haupttonart dürfe man stets zu Mozarts „persönlichsten künstlerischen Äußerungen zählen“, so der Musikwissenschaftler Alexander Odefey im Almanach. „Doch fällt im Hinblick auf die Tonart c-Moll auf, dass er sie vor allem in der ersten Hälfte seiner Jahre in Wien verwendete, genauer: in den Jahren 1782 bis 1786.“ Das Klavierkonzert c-Moll, meist in einem Atemzug genannt mit der Sonate c-Moll, erklingt denn auch an den beiden Terminen der Capella Andrea Barca und ihres Navigators Sir András Schiff.

www.mozartwoche.at
Bilder: Almanach (2); www.kirshbaumassociates.com