Asoziale Kuh im Wirbelwind

LITERATURHAUS / PERFORMANCE VEA KAISER

20/05/15 Also, da war das Fotoshooting mit der Kuh. Und die Kuh war trächtig. Aber es war eine unglaublich asoziale Kuh und der Bauer war unsympathisch. Pferde findet sie aber höchstens als Leberkäse akzeptabel. Dann hat die Kuh den Bauern fast zu Tode geschleift. „Wenn es ein Kalb wird, heißt es Vea.“

Von Heidemarie Klabacher

An diesem Punkt streckte Tomas Friedmann die Waffen: „Ich ziehe die Namensfrage zurück!“ Tatsächlich hat der Literaturhausleiter und Moderator des Abends seinen Gast – die junge Autorin Vea Kaiser - nur gefragt, wie denn ihre Romanfiguren zu ihren Namen kämen.

Der erste Teil der Antwort war überschaubarer: Eine Leserin – auch schwanger – habe ihr in einem wunderbaren Fanbrief geschrieben, wenn ihr Kind ein Mädchen wird, würde sie es Vea Eleni nennen: „Ich war so gerührt. Ich dachte, das mindeste was ich tun kann, ist eine Romanfigur nach diesem Kind zu benennen.“

So heißt also eine der zentralen Figuren im wenige Tage alten zweiten Roman von Vea Kaiser - „Makarionissi oder die Insel der Seligen“ - Eleni. Diese Eleni war von der Großmutter dazu ausersehen gewesen, Lefti zu heiraten, damit Geld, Macht und Ehre in der Familie blieben. Eleni wollte das zwar nicht, hat es aber doch getan, weil sie als junge Frau von der nationalkonservativen griechischen Regierung als „Linke“ verhaftet und eingesperrt worden war und nur als Ehefrau eines Griechchen mit einem gültigen Arbeitsvertrag für Deutschland in der Tasche hat ausreisen und sich in Sicherheit bringen können…

Eine Autorenlesung ist normalerweise eine ernsthafte oft weihevolle Angelegenheit mit Wasserglas. Mit Vea Kaiser auf dem Podium ist eine Lesung ein Vergnügen. Sie liest nur wenig, lebendig und wohl artikuliert. Vor allem aber: Sie plaudert und lodert.

Sie kommt vom Hundertsten ins Tausendste (die Sache mit dem Fotoshooting etwa wurde nicht restlos aufgeklärt bzw. verstanden). Sie erzählt vom Altgriechisch-Studium und der Notwendigkeit, auch ein wenig Neue Griechische Geschichte zu lernen, „um nicht ganz in der Antike verloren zu gehen“. Sie schildert die Landschaft um Hildesheim „so flach, dass man sieht dass die Erde rund ist, so flach wie das Burgenland, nur dass alle im Imperativ mit einem reden.“ Sie schwelgt in Erinnerungen an den Liebeskummer, der ihr die Arbeit am letzten Buch noch schwerer gemacht hat („Das Anstrengende ist nicht, ein Buch zu schreiben, sondern es zu überarbeiten, bis es gut ist) und berichtet, wie sie über besagten Liebeskummer hinweg gekommen ist („Jetzt kriegt der Trottel ein Kind und ich bin sooo froh, dass ich nicht die Mutter bin“).

Letztere Thematik gehört zu jenen Punkten, die der Moderator Tomas Friedmann hat versucht, zur Sprache zu bringen. Er wollte - romantechnisch – wissen, ob nicht scheiternde Beziehungen ein strukturgebendes Element des Romans seien. „Makarionissi oder Die Insel der Seligen“ ist jüngst im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und erzählt in „Neun Gesängen“ die Geschichte einer griechischen Familie über vier Generationen.

Makarionissi. In dem kompliziert wirkenden Wort versteckt sich nur das griechische Vokabel für „glückselig“ oder „gesegnet“. Die Autorin studiert ja Altgriechisch in Wien, nachdem sie 1988 in St. Pölten geboren worden, aber auch sonst schon überall auf der Welt gewesen ist. Alle Orte im Buch - Hildesheim, Chicago, Berlin, St. Pölten – seien auch Stationen ihrer Biographie. Zu dieser gehört wesentlich der Debütroman „Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam“, mit dem Vea Kaiser im Jahr 2012 schlagartig bekannt worden ist.

Dass dieses Buch derzeit von irgendwem irgendwo verfilmt wird, sei ihr zwar bekannt, sie wolle aber nichts Genaueres drüber wissen: „Manche Dinge will man einfach nicht wissen.“ Dazu gehöre auch das, was in Kritiken steht, egal ob gut oder schlecht. Eine schlechte Kritik sei ihr völlig egal, aber selbstverständlich werde sie mit dem Autor eines Verrisses lebenslänglich kein Wort mehr wechseln. „Ich habe 20.000 Bücher in einer Woche verkauft.“ Und außerdem schreibe sie für ihre Leser. Ohne die Leser würde sie sich die Strapazen des Schreibens gar nicht antun.

Damit sie nicht soviel zu überarbeiten habe, versuche sie, gelegentlich ein wenig langsamer zu schreiben – mit der Hand oder mit der Schreibmaschine, „damit es nicht so schnell geht“. Ob sie schneller reden oder schneller schreiben kann, kann und soll hier nicht beurteilt werden. Als Performerin ist Vea Kaiser ein Hit. Ein Schalk. Trotzdem möchte man doch zu gerne wissen: Warum das Fotoshooting mit Kuh…

Vea Kaiser: Makarionissi oder Die Insel der Seligen“. Roman. Kiepenheuer & Witsch, 2015. 460 Seiten, 20.60 Euro - www.kiwi-verlag.de
Bild: KIWI/Ingo Pertramer