Nur gelesene Dichter überleben

IM WORTLAUT / GEORG TRAKL FORSCHUNGS- UND GEDENKSTÄTTE (2)

13/04/23 Autoren, Filmleute, Kulturinstitute aus London, Paris, Rom, Lemberg oder Krakau finden Rat in allen „Trakl-Fragen“. Die Gedichttafeln – Mirabell, Linzergasse, Hellbrunn – erinnern an den jung verstorbenen Dichter. Für dessen Leben und Werk lebt Hans Weichselbaum, der Leiter der Georg-Trakl-Forschungs- und Gedenkstätte. - Hier der zweite Teil seiner Rede zum „Fünfziger“.

Von Hans Weichselbaum

Zum Geburts- und Todestag Trakls, und auch dazwischen, beschäftigten sich Veranstaltungen mit verschiedenen Aspekten der Person und der Dichtung Georg Trakls. Lesungen von Trägern und Trägerinnen des Trakl-Preises stellten den Bezug zur Gegenwartsliteratur her, was mir immer wichtig war. Alle diese Aktivitäten finden Sie in der neuen Broschüre „50 Jahre GTFG“, die in der Forschungs- und Gedenkstätte erhältlich sein wird. Ich darf Sie also vor einer detaillierten Aufzählung verschonen, möchte aber doch auf einige besondere Ereignisse hinweisen.

Dazu zählt die Feier zum hundertsten Geburtstag Trakls 1987. Aus diesem Anlass wurde das kleine Museum um einen großen Raum und zwei kleinere erweitert. Damit war es möglich, die aus dem Nachlass von Frau Geipel noch vorhandenen Möbel und Alltagsgegenstände aufzustellen. So soll ein Eindruck von der Atmosphäre, in der der Dichter aufgewachsen ist, vermittelt werden. Jetzt war auch Platz für eine Tonbildschau zur Einführung in Leben und Werk Trakls. Sie wurde 2007 inhaltlich und technisch gründlich erneuert und beeindruckt seither viele Besucher und Besucherinnen.

Dieser Geburtstag war auch der Anlass für die Gründung des „Internationalen Trakl-Forums“ ITF, in dem alle vertreten sein sollten, die an der Förderung und Vermittlung des Werkes von Georg Trakl interessiert sind, mit derzeit elf Mitgliedern. Korrespondierende Mitglieder aus dem Ausland liefern Beiträge zur Rezeption Trakls in ihren Ländern.

Dieses Forum sollte auch das Fundament für die Bezeichnung „Forschungs- und Gedenkstätte“ sein. Die Vorsitzenden kamen jeweils von außen: zunächst Adrien Finck (Strasbourg 1987-1993), dann der schon genannte Alfred Doppler (Innsbruck 1993-2014) und zuletzt Johann Holzner, der ehemalige Leiter des Brenner-Archivs Innsbruck (der den Festvortrag anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der GTFG hält). Das Trakl Forum war die Basis für sieben Tagungen. Die größte fand zum 100. Todestag 2014 statt. Auch bisher unbekannte Gedichte wurden dabei vorgestellt. Die Ergebnisse dieser Tagungen wurden meist in einem Band der „Trakl-Studien“ publiziert.

Zu meinen wichtigsten Aufgaben zählte der Erwerb weiterer Handschriften Trakls. Es war ein schöner Erfolg, als 1978 der größte Teil der Briefe Trakls an seinen Freund Buschbeck von Frau Lotte Tobisch in Wien erworben werden konnte. Den restlichen Teil hat sie der Forschungs- und Gedenkstätte später großzügigerweise geschenkt und diese auch in ihrem Testament mit Dokumenten bedacht.

Dazu gab es im Herbst 2021 eine kleine Ausstellung. Weitere Handschriften wurden aus Privatbesitz und über Auktionshäuser erworben. Eine besondere finanzielle Anstrengung war 2016 der Ankauf des bis dahin unbekannten Gedichtes „Hölderlin“, das in der literarischen Welt auch ein besonderes Aufsehen erregt hat. Heute liegen über achtzig Trakl-Manuskripte im Archiv der Forschungs- und Gedenkstätte.

Für die Verankerung Trakls in der Stadt sind zehn Gedichttafeln gedacht, die seit 1985 an Orten angebracht worden sind, wo sich ein Trakl-Bezug herstellen lässt. Die meisten sind von der Stadt finanziert worden, eine wartet in Anif auf die Erneuerung. Eine weitere mit dem Gedicht „Kleines Konzert“ im Festspielbezirk ist im Gespräch. Auf eine Realisierung ist zu hoffen. Zu denTafeln gibt es auch eine informative Broschüre. Die Idee, dass man bei einem Spaziergang unaufdringlich der Poesie Trakls begegnen kann, wird durchaus angenommen: Fast jedes Mal, wenn ich durch den Mirabellgarten gehe, kann ich jemanden bei der Lektüre des Gedichtes „Musik im Mirabell“ beobachten. Manche schreiben dazu auch eine eigene Variante, etwa Mirko Bonné. Das ist erfreulich, denn nur Dichter, die tatsächlich gelesen werden, haben eine Chance, mit ihrem Werk zu überleben.

Ich war daher auch froh, als ich in der Corona-Zeit für den Otto Müller Verlag eine neue Trakl-Ausgabe zusammenstellen konnte, die den aktuellen Bestand der Dichtungen Trakls enthält – und die auch leistbar ist. Jüngere Generationen sollten so die Möglichkeit haben, zu erfühlen was und wer Trakl war. So wie Bahr über Hölderlin gemeint hat. Diese Vorstellung begleitete mich bei meiner fünfzigjährigen – nebenberuflichen – Tätigkeit im Trakl-Haus (hauptberuflich unterrichtete ich an einem Salzburger Gymnasium).

Sie machte mich mit recht unterschiedlichen Formen des Umgangs mit einem literarischen Erbe bekannt und die Möglichkeiten sind nach fünfzig Jahren nicht ausgeschöpft. Über einige davon wurde eben in einer Sitzung des Trakl-Forums gesprochen: So soll vom ORF eine Trakl-CD mit dem Sprecher Cornelius Obonya hergestellt werden. Ein „Handbuch zu G. Trakl“ mit einer Reihe von Beiträgen zu „Leben – Werk – Wirkung Georg Trakls“ wird noch in diesem Jahr erscheinen (Präsentation am 3. November). Das Projekt der Gedichttafeln soll weiter verfolgt werden, und eventuell wird es auch etwas mit dem Trakl-Brunnen auf dem Waagplatz.

Ich bin allen dankbar, die es mir ermöglicht haben, die Entwicklung der Forschungs- und Gedenkstätte zu gestalten und zu begleiten, insbesondere der Salzburger Kulturvereinigung, die im kommenden Jahresprogramm anlässlich dieses Jubiläums einen Trakl-Schwerpunkt setzen wird. Zwölf Gedichte von Georg Trakl werden darin zu lesen sein. Trotzdem muss ich das Präsidium ersuchen, nicht weitere fünfzig Jahre mit mir zu rechnen – was schon „naturgemäß“ unmöglich ist, wie Thomas Bernhard sagen würde, und auch mit meinen Vorstellungen schlecht vereinbar wäre. Der weitere Bestand als ein Zeichen der Präsenz von Literatur in der Kulturstadt Salzburg wird mir jedoch am Herzen liegen.

Einen umfassenden Einblick bietet die Website der bei der Kulturvereinigung im „Trakl-Haus“ beheimateten Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte – www.kulturvereinigung.com
Bilder: Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte (2)/dpk-krie (3)/dpk-klaba/Sondermarke zu Trakls 75. Todestag 1989