ua ka schmoiz ned

LITERATURFEST / WIDMER / HELLER

31/05/10 Der begnadete Geschichtenerzähler Urs Widmer entführte sein Publikum vom Republic nahe ans "Herz der Ewigkeit" und André Heller hat eine alte Schuld bei H.C. Artmann abgetragen: "Er hat mich ermutigt, vom 20-Meter-Brett in die sogenannte Populärkultur zu springen."

Von Eva Bernadette Müller

altDas Publikum nahm am Freitag (28.5.) zunächst zwar im Republic Platz, wurde aber bereits mit den ersten Worten Urs Widmers aus seinem neuen Roman „Herr Adamson“ fortgerissen in phantastischere Sphären. Die Grenze zwischen dem Autor und dem „Ich“ der Handlung verschwamm ziemlich bald - vielleicht auch deswegen, weil sie sich den Geburtstag teilen und Schnauzer und wirres Haar zu ihren „Attributen“ zählen.

Eine Reise durch ein ganzes Leben ist das, für die Enkelin auf Tonband gesprochen: mit all den leisen und lauten, ernsteren und sarkastischeren Zwischentönen, die die Sprache zu bieten hat. Widmer erzählt von der Kindheit nach dem Krieg bis zum 22. Mai 2032 - einen Tag nach dem 94. Geburtstag des Protagonisten. So entführte der begnadete Geschichtenerzähler Urs Widmer mit Amdamsons fantastischer Zeitreise nahe ans "Herz der Ewigkeit" und in die "eigenen geheimen Speicher": "So flog ich erregt durch meine eigene Wahrheit."

André Heller griff nach der Pause zu einem anderen Zauberbuch: zu H.C. Artmanns „med ana schwoazzn dintn“. Die Gedichte in wienerischem Dialekt, gingen - auch wenn im Vorwort „nua ka schmoiz ned“ steht - tief und noch viel tiefer unter die Haut.

altEr sei der Einladung zum Literaturfest "freudig gefolgt", sagte André Heller, weil er "eine Schuld abzutragen habe": H.C. sei einer seiner ganz frühen Förderer gewesen: "Er hat mich ermutigt, vom 20-Meter-Brett in die sogenannte Populärkultur zu springen." "Wir wollten für dieses dritte Literaturfest mit Artmann einen – nicht nur für Salzburg – ganz besonderen Autor ins Zentrum rücken und Sie auffordern, wieder mehr Artmann zu lesen", so Organisator Klaus Seufer-Wasserthal in seiner Begrüßung.

Artmann scheint Recht gehabt zu haben, als er meinte, dass keiner ihn so gut lese, wie André Heller. Zwischen den Gedichten erzählte Heller Anekdoten: von älteren Herren mit Bitzelanfällen um Aufmerksamkeit etwa oder von ehrwürdigen Priestern und frommen Wallfahrern, die Villonübersetzungen ins Deutsche nicht so recht zu würdigen wussten.

Manchmal reichen Worte einfach nicht aus, um Gefühle auszudrücken. Gelegentlich gibt es Menschen, die es können. Aber höchst selten finden sich gleich drei Begnadete ein (wenn auch nicht alle körperlich anwesend), um ein paar unglaubliche Stunden zu verschenken. "Artmann hat einige der wunderschönsten Liebesgedichte überhaupt geschrieben", so Heller. "Schade, dass man sein Wienerisch nicht mit der ganzen Welt teilen kann." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bilder: Literaturfest Salzburg / Edith Zehentmayer