"Am Weg saß ein Schweinchen und weinte..."

RAURISER LITERATURTAGE / SAMSTAG

09/04/18 Ein Karl-May-Intermezzo zwischen einem Psychiater und einem Intendanten. Eine zündende Szene in der U-Bahn. Eine Aussicht auf das zerbombte Wien und ein Junge in gestreiften Bermudashorts in einem Leichenzug. Der Samstag bei den Rauriser Literaturtagen war voll von skurrilen Impressionen.

Von Daniela Krismayer und Julia Altmann

Nachdem Paulus Hochgatterer am Freitagabend bereits aus seinem neuen Buch „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ gelesen hatte, stellte sich der Leiter der Abteilung für Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Tulln am Samstagnachmittag (7.4.) mit viel Witz und Humor den Fragen Manfred Mittermayers zu den prägendsten Autoren seiner Jugend. Die Antwort: Von May über Brecht bis Bernhard – wobei Ersterer die beiden Männer doch tatsächlich zu einem Vergleich ihrer Leselisten bewegte. Erste literarische Erfahrungen sammelte Hochgatterer im Bilderbuch, genauer: den Petzi-Büchern. Wie prägend diese Erfahrung war, kann man in Hochgatterers „Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe, Eine Poetik der Kindheit“ nachlesen, das unter anderem auch ein Petzi-Buch zitiert (siehe Überschrift). Am Ende kam das Gespräch schließlich noch auf Werke, die besonders in Bezug auf kinderpsychiatrische Elemente von Interesse seien. Genannt wurden etwa die Autoren Günter Grass („Katz und Maus“), Mark Twain („Huckleberry Finn“) und Claire Keegan („Das dritte Licht“).

Zum Beginn der abendlichen Lesungen präsentierte Monika Helfer ihren neuen Roman „Schau mich an, wenn ich mit dir rede!“. Wie schon in früheren Werken zeigt sich auch hier ihre intensive Beschäftigung mit Kinderfiguren, die zu kurz gekommen sind. Eine Streitszene in der U-Bahn dient als Inspirationsmoment für eine Handlung rund um die kleine Vev, die im Mittelpunkt einer Patchworkfamilie steht.

Peter Henisch, selbst Rauris(spezial)preisträger, erzählt in „Suchbild mit Katze“ in Form eines autobiographisch-fiktiven Spiels vom Aufwachsen im Nachkriegswien. Was es mit der großen Schwester Katze auf sich hat und inwiefern sie die Berufswünsche des jungen Peters beeinflusst, erfährt man hier ebenso wie den Zusammenhang zwischen Koreakrieg und Zwiebelschneiden.

Den humorvollen Abschluss des Abends lieferte Felix Mitterer mit seiner Autobiographie „Mein Lebenslauf“, die er zwar, nach eigener Aussage, selbst geschrieben, aber nie vollständig gelesen habe; umso bereitwilliger erfolgte die Lesung des Autors. In trockenem Ton, der den inhärenten Humor nur noch verstärkte, erfuhr man so von den vier möglichen Vätern Mitterers, von der rabiaten Adoptivmutter und dem modisch kreativen Felix. Ein unterhaltsamer Ausklang des Abends, der die Lachmuskeln ein letztes Mal bis zum Äußersten strapazierte.

Die musikalische Untermalung im Jazzstil stammte vom Paul Widauer Trio. Zusätzlich kam das Publikum in den Genuss, zwei Titel aus dem neuen Album „Blues plus“ des Multitalents Peter Henisch zu hören.

Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris Studentinnen und Studenten von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2018)“ am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.
www.rauriser-literaturtage.at
Bilder: RLT/Corn.at; Fotowerk Aichner (2)