Finnland kriminell

LITERATURHAUS / EUROPA DER MUTTERSPRACHEN

30/04/10 „Finnland hat nicht unbedingt eine Kriminalroman-Tradition, wie etwa Schweden“, so Finnlandexperte Stefan Moster beim Abend „Finnland kriminell“. „Crime and Punishment“, ein Film von Aki Kaurismäki, und Lesungen aus finnischen Kriminalromanen luden freilich dazu ein, sich selbst ein Urteil über „das Kriminelle im Finnen“ zu bilden.

Von Ulrike Guggenberger

Risto Isomäki, finnischer Wissenschaftsjournalist und Umweltaktivist, wäre gerne zu diesem Abend im Literaturhaus persönlich angereist, die isländische Aschenwolke aber verhinderte die rechtzeitige Heimkehr seiner Frau zu den Kindern und die Weiterreise nach Salzburg. Als Junge habe er, ließ Risto Isomäki ausrichten, im Rahmen einer Schulveranstaltung mit seiner Deutschlehrerin Salzburg besucht, und hätte sich auf ein Wiedersehen mit dieser Stadt gefreut.

An seiner Stelle las Peter Arp aus einer Übersetzung seines Krimis „Die Schmelze“. Aus einer Konferenz zur Klimaerwärmung entwickelt sich eine brisante Kriminalgeschichte. Atlantis, die einst auf rätselhafte Weise verschwundene Insel, steht im Mittelpunkt des Interesses. Platons Gedankengänge und ein Verweis, dass in unserem Kulturraum im Mittelalter Division und Multiplikation nicht gelehrt werden durften, verheißen einen Krimi, der mit ungewöhnlichen Zutaten jongliert.

Leena Lehtolainen macht seit 17 Jahren mit Kommissarin Maria Kallio ihre Leser auf weitere Folgen neugierig. Es ging der Autorin darum, in ein typisch männlich besetztes Genre eine weibliche Figur einzuschleusen. „Sie ist meine Freundin, wie im richtigen Leben wird sie auch älter in all den Jahren“. Maria Kallio spannt den Spagat zwischen Karriere und Familienleben.

Locker ergibt sich ein Frage und Antwort Spiel zwischen Leena Lehtolainen und Markku Ropponen. Wie weit denn Leena Lehtolainen ihre „Fälle“ durchplane, wann die Figuren sich selbstständig machten. „Der Fall ist nicht alles, etwas fängt an, mich zu beschäftigen, zum Beispiel Sport“. So kommt es, dass sie mit „Auf der falschen Spur“ Hintergrundkulisse und nicht sichtbaren Mechanismen im Sport aufdeckt. Die Lust von Politikern, die finnische Fahne als Siegerfahne zu hissen mit eingeschlossen.

Einen gänzlich anderen Helden bietet Markku Ropponen dem Publikum und zukünftigen Leser. Otto Kuhala besitzt alle Eigenschaften eines mittelmäßigen, verschlampten Charakters.  In der Übersetzung der Lesprobe zu „Finnischer Mittelsommer“ breitet der Autor wortgewandt dessen Gegenspieler als einen die „Schicki Micki Szene“ bestimmenden Protagonisten aus.

Fast ist man geneigt zu sagen, Leena Lehtolainen und Markku Ropponen huldigen einem jeweils typisch männlichen und typisch weiblichen Helden bzw. Heldin. Aus einem Kriminalroman Sequenzen zu lesen ist immer problematisch, man muss als Ganzes in die Geschichte eintauchen können.

Hervorragend in Regie und Inhalt der Film von Aki Kaurismäki, der die den zweiten Abend in der Reihe „Europa der Muttersprachen“ einleitete. Ohne Hektik und Klamauk kommt der Film mit klassischen Mitteln, wie Nahaufnahmen, Verlangsamung, knappen Handlungen und Dialogen, aus - weniger ein Kriminalfilm, denn eine psychologische Studie möglichen menschlichen Verhaltens. „Ich wollte ein Prinzip umbringen, nicht einen Mann“, in diesen Worten liegt die Essenz des Geschehens. Kaurismäki: „Eine Hommage an die goldenen Zeiten, als ein Mord für einen Kriminalfilm noch ausreichte.“