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Liebst du Arbeit und Gebet…

BUCHBESPRECHUNG / DEM BRAVEN KIND

24/10/14 Prokrastinierer – was für ein schönes Wort! Das lateinische „pro“ (für, auf) steckt dahinter, und „cras“ (morgen). Also einer, der alles gerne auf morgen verschiebt. Notfalls auf übermorgen. Eher kein Adressat für Fleißbildchen…

Von Reinhard Kriechbaum

Der Schreiber dieser Zeilen bekennt sich aufrichtig zum Prokrastinieren. Aber dieses Buch lacht einem entgegen, so dass es sich wohl nicht aufschieben lässt, davon zu erzählen: „Dem braven Kind“ heißt es. Sein Autor, Hans Gärtner, Erziehungswissenschafter, war von Berufs wegen damit befasst, aus potentiellen kleinen Prokrastinierern eben fleißige junge Leute zu machen. Einen Erfolg versprechenden Weg dazu hat jeder von uns gelegentlich kennen gelernt: Mit Klebesternchen unter einer geglückten Hausaufgabe in der Volksschule hat es begonnen, mit Treue-Marken beim Bäcker, die zum beflissenen weiteren Einkauf locken sollen, ist es noch lange nicht zu Ende.

Die kulturgeschichtliche Variante des gleichen pädagogischen Verführungstricks sind Fleißbildchen. „Ein fast vergessenes Stück Schulkultur“, schreibt Hans Gärtner im Untertitel. Er ist selbst Sammler solcher Fleißbildchen, fleißiger Sammler, versteht sich. Als universitärer Pädagogik-Professor hat er, nicht minder fleißig, die pädagogische Literatur vergangener Jahrhunderte durchforstet. Alles in allem eine imponierende Materialsammlung, die erste wohl in dieser Art zum Thema.

„Liebst du Arbeit und Gebet, / immerdar dir’s wohl ergeht“ – das steht auf einem Fleißbildchen des „Kasperl-Grafen“ Franz Graf von Pocci, einem der wenigen, die ihm (relativ) eindeutig zuzuweisen sind. Dominieren eigentlich, wie man vermuten möchte, die Motive aus dem Religionsunterricht? Interessanterweise gar nicht. Viel öfter als der Jesusknabe als Hantierer mit Säge im väterlichen Zimmermannsbetrieb oder als emsiger Sämann auf dem Feld sind die weltlichen Motive. Die Fleißbildchen waren Alltags-Behelf für jeden Lehrer. Die Bienen und Ameisen als Synonym für nimmermüde „Arbeitstiere“, der Hahn als Sinnbild dafür, frühmorgens das angenehme waagrechte Dasein auf der faulen Haut zu beenden – das sind beliebte Motive. Ein eigenes Sammelobjekt sind die "Hauchbildchen", haardünne Graphiken im Briefmarkenformat, ursprünglich aus der Blase des Huchen, dann aus gelatine gefertigt. Sie bewegten sich, wenn man sie in der warmen Hand hielt.

Wer sammelt, bekommt einen Blick für bestimmte Handschriften und weiß möglicherweise auch die eine oder andere Signatur zu entziffern. Der Anteil von Anonymi ist groß, aber so mancher Meister, manche Meisterin des druckgraphischen Kleinformats für begierige Kinderhände lässt sich doch ausmachen. Die Namen kennt man eher nur in Sammlerkreisen. Aus österreichischem Blickwinkel wäre Ida Bohatta (1900-1992) als bienenfleißige Motivspenderin zu nennen, deren Wichtel oder Heinzelmännchen Generationen von Kinderaugen zum Leuchten gebracht haben. Ihr erstes Kinderbuch hat die Illustratorin übrigens für den Kaiserenkel Otto von Habsburg gezeichnet, aber das gehört nicht zum Thema. Sehr wohl aber eine Formulierung, die man auf dem Umschlag eines Buchs über Ida Bohatta lesen kann: „…geborgen in vertrauten Welten.“ Das galt für die Spruchdichter und Zeichner im Fleißbildchen-Metier durch die Zeiten.

Hans Gärtner: Dem braven Kind. Fleißbildchen, ein fast vergessenes Stück Schulkultur. 205 Seiten, 170 Abb. Poppe Verlag Windberg, 2014. € 12,90. – www.praemonstratenserabtei-windberg.de

Die Ausstellung "Ohne Fleiß kein Preis", zu der dieses Buch erschienen ist, ist nur noch bis 26.10 in der Abtei Windberg (nördlich von Straubing) zu sehen.

 

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