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Über das Spektakel des Todes

 

BUCHBESPRECHUNG / JEDERMANN DARF NICHT STERBEN

16/07/14 Vieles habe der „Jedermann“ überlebt, schreibt Andres Müry im Vorwort: „Den Katholiken Hitler, der ihn als einziger abgeschafft hat. Seine Kritiker und Satiriker, die ihn zur Strafe nicht einmal mehr ignorieren. Auch seine Botschaft, und diese sogar ziemlich schnell.“

Von Reinhard Kriechbaum

Freilich, das mit der Botschaft korrigiert der Buchautor selbst schon einen Absatz später, denn Jedermann sei „immer noch ausverkauft“, „vielleicht um des einzigen Momentes Willen, der eine gegenwartsversessene Gesellschaft noch beunruhigt: Wenn der Tod auftritt“. Jedermann habe „als Spektakel des Todes überlebt. Als Kult ohne Gläubige. Als Wirtschaftsfaktor.“ Die drei Millionen Euro, die die Festspiele mit dem Stück umsetzen, sind schließlich kein Pappenstiel, „der Überschuss fließt ins Gesamtbudget der Festspiele und alimentiert das übrige Sprechtheater“.

2001 ist Andres Mürys Essay „Jedermann darf nicht sterben“ erstmals erschienen. Das Buch jetzt ist deutlich mehr als eine Neuauflage, denn es ist nicht dabei geblieben, dass nun Fotos der aktuellen Neuinszenierung aus dem Vorjahr, von Julian Crouch und Brian Mertes, attraktive Fotostrecken am Anfang und Ende hergeben. In den vergangenen Jahren ist natürlich auch die Festspielgeschichte, sind vor allem die dunklen Jahre der NS-Zeit weiter und noch gründlicher erforscht worden. Manches ist also nachjustiert und genauer gefasst.

Nach wie vor ist Andres Müry's umfängliche Jedermann-Geschichte eine pointierte Mischung zwischen akkurater historischer Sicht und durchaus individueller, feuilletonistisch gefasster Perspektive. Viel vom „antimodernen“ Gestus, der den Festspielen bis heute nachhängt (oder sie nach wie vor – wenn auch unausgesprochen – programmatisch bestimmt) wird in Mürys Essay anschaulich.

So nebenbei: Wie war denn das mit der „Exklusivität“ der Festspiele damals, als neun Jahre nach der Berliner Uraufführung des Stücks von Hofmannsthal (übrigens durch das ziemlich genau gleiche Team wie dann 1920 in Salzburg) der „Jedermann“ nicht nur vor dem Dom gegeben wurde, sondern als Erfolgsstück durch den deutschen Bühnenwald rauschte? Und Max Reinhardt hat mit seinem Uraufführungs-Hauptdarsteller Alexander Moissi damals sogar eine Tourneefassung erstellt. Man tingelte...

Auf Mürys Text (den ersten 77 Seiten) folgt eine reich bebilderte „Chronik“. Unterschiedlichste Perspektiven auf das Stück sind dann in einem „Magazin“ (ab Seite 121) versammelt, eine Art Anthologie zum Thema. Sie setzt ein mit Hofmannsthal „Festspiele in Salzburg“ aus dem Jahr 1921, dokumentiert Karl Kraus' 1922 in der „Fackel“ erschienene Häme „Vom großen Welttheaterschwindel“ und reicht bis zu einem Text, den Karl-Markus Gauß geschrieben hat: „Von der Rechenschaft. Jedermann, die Angst und der Tod“. Natürlich sind da Statements von Theaterleuten von Achim Benning bis Christian Stückl dabei und auch die Dokumentation eines Gesprächs, das 1995 der damalige Schauspielchef Peter Stein, der damalige Jedermann Gert Voss und der Geistliche Johannes Neuhardt (nett der Titel „Domprälat“) führten.

Das Fazit sowieso: Jedermann wird nicht sterben. Schließlich ist er, wie Andres Müry ganz richtig schreibt, „einer der merkwürdigsten Theaterkulte der Neuzeit“.

Andres Müry: Jedermann darf nicht sterben – Geschichte eines Salzburger Kults. 224 Seiten, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2014, € 24.- – www.pustet.at
Zur Leseprobe Von B'sondermännern und Jedermannen

 

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