Klavierlehrerin ohne Existenzsorgen

BUCH / MARIA ANNA MOZART

27/10/20 Ein Likör ist nach ihr benannt, sogar Nannerl-Schokokugeln gibt es. Aber trotzdem: letztlich gilt Maria Anna (1759 bis 1829) nur die Schwester Mozarts. Am Donnerstag (29.10.) jährt sich ihr Todestag – sehr unrund – zum 191. Mal. Ein neues Buch rückt manche Vorurteile zurecht.

Maria Anna alias Nannerl ist ein eben erschienener wissenschaftlicher Band des Salzburger Landesinstitutes für Volkskunde gewidmet, der Einblick in ihr Leben gibt und mit so manchem Vorurteil aufräumt. Nichts da mit einer Karriere als Klaviersolistin. Vom Vater einfach verehelicht, ein gekapptes Riesentalent? Den Autorinnen – Ulrike Kammerhofer-Aggermann, Verena Maria Höller, Christina Grandl, Eva Neumayr und Anna-Magdalena Samardzic – sei es „durch akribische Arbeit gelungen, das Rollenbild einer bürgerlichen Frau im 18. Jahrhundert in Salzburg neu zu beleuchten“, so Landesrätin Andrea Klambauer, der man dieser Tage ein Buch überreichte.

Für das neue Buch wurden nachgelassene Dokumente aufgearbeitet, die sich in den Archiven der Internationalen Stiftung Mozarteum, dem Salzburger Landesarchiv und dem Stadtarchiv Salzburg befinden.

Die Dokumente wurden erstmalig wissenschaftlich bearbeitet, und das hilft falsch tradierte Bilder über Nannerl zurecht zu rücken. „Ihre Ehe ermöglichte ihr ein Leben frei von finanziellen Sorgen in einer turbulenten Zeit, in welcher Musikerinnen oft Existenzsorgen plagten.“ Das liest Ulrike Kammerhofer-Aggermann, ehemalige Leiterin des Landesinstitutes für Volkskunde und Herausgeberin des Bandes, beispielsweise aus Ehekontrakt, Testament und Nachlassinventar ihres Ehemannes heraus.

Maria Anna war mit dem Reichsfreiherrn Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg (1736-1801) verheiratet. Er war einer der erzbischöflichen Gebietsverwalter (Pfleger) und lebte in St. Gilgen. Die gemeinsamen Jahre waren von Umbrüchen am Ende des Fürsterzbistums Salzburg geprägt, denn sie führten vom feudalen Rokoko zum aufgeklärten Absolutismus. Nannerl blieb auch während ihrer Ehe Klavierlehrerin und war zeitlebens stolz auf ihren Bruder. Aus den hier veröffentlichten Dokumenten geht hervor, wie sehr – und in manchem auch positiv – sich ihre Lebensumstände von den Lebensbildern vieler Frauen damals unterschied.

Freilich: Trotz intellektueller und künstlerischer Freiheiten musste sie sich dennoch weitgehend in das gängige Frauenbild als Tochter und Ehefrau einordnen. „Die Aufzeichnungen zu ihrer Ehe setzen vielen Klischees von einer bedauernswerten Nannerl, verzichtenden Schwester und zwangsverheirateten Tochter ein Ende und zeigen eine Frau am Übergang zwischen zwei Epochen“, so Verena Maria Höller. Nannerl starb mit 78 Jahren, finanziell abgesichert als Freifrau Maria Anna von Berchtold zu Sonnenburg. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof St. Peter in Salzburg.

Das Buch über Maria Anna Mozart ist Ergebnis einer langjährigen eigenständigen Forschungsarbeit des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde (SLIVK), durchgeführt zwischen 2006 und 2020 mit freien Mitarbeiterinnen. (Landeskorrespondenz/dpk-krie)

… meiner lieben Frau Ehegattin Maria Anna geborene Mozart ... Ehekontrakt, Testament und Nachlassinventar ihres Ehemannes. Ulrike Kammerhofer-Aggermann und Verena Maria Höller (Hg.), Salzburger Beiträge zur Volkskunde 28. Salzburg 2020. 480 Seiten, 38 Euro – www.salzburg.gv.at
Bild: Land Salzburg
Ein weiteres Buch über Maria Anna Mozart ist im Vorjahr erschienen: Eva Neumayr (Hrsg.): Maria Anna Mozart. Facetten einer Künstlerin. Zur Buchbesprechung Eine Pianistin unter Strom