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Die Geschichte von (Super-)Arthur

BUCHBESPRECHUNG / BIRNBACHER / ICH AN MEINER SEITE

12/06/20 Arthur, 22, wird aus dem Gefängnis entlassen und steht vor der großen Hürde, wieder ins richtige Leben zurück zu finden. Was die Haft mit einem Menschen machen kann und wie schwer der Weg „zurück“ ist, davon erzählt Birgit Birnbacher eindringlich in ihrem neuen Roman Ich an meiner Seite.

VON VERENA RESCH

26 Monate Lücke im Lebenslauf. Das ist eine der Konsequenzen, mit denen Arthur leben muss, als er aus dem Gefängnis entlassen wird. Eine Lücke, die es bei der Suche nach einem Job zu erklären gilt. Den Rat seiner Betreuer, stets bei der Wahrheit zu bleiben, verwirft er nach kurzer Zeit, als er ernüchtert feststellen muss, dass seine Ehrlichkeit ihn nicht weiter bringt: „Ich habe die Wahrheit gesagt, und zwei Minuten später war ich raus. Die hätten mich wirklich genommen. Das ist doch alles verkehrt, so wird das nichts. Vergesst das mit der Ehrlichkeit. Würde ich jemanden einstellen, der im Knast war? Würden Sie jemanden einstellen, der im Knast war?“

Mit Ich an meiner Seite hat die Rauriser-Förderungspreisträgerin von 2015, Birgit Birnbacher, nun bei Zsolnay ihren zweiten Roman vorgelegt. Darin schildert sie nicht nur die Schwierigkeiten, die sich einem Haftentlassenen in den Weg stellen, sondern stellt auch die Frage danach, wie es sein kann, dass ein unauffälliger Junge wie Arthur wegen Betrugs im Gefängnis landet.

Dabei muss man der Autorin zugut halten, dass sie nicht die breite Palette an verfügbaren Klischees aufrollt. Obwohl genau diese auch auf Arthur zutreffen würden: Der Vater verlässt die Familie kurz nach Arthurs Geburt. Und dennoch erkennt auch er selbst, dass es falsch wäre da Kausalitäten herzustellen, wo es keine gibt. Die Mutter entwickelt sich indessen an der Seite ihres neuen Mannes zur erfolgreichen Geschäftsfrau, die keine Zeit mehr für ihre Söhne hat, woraufhin der ältere verschwindet und der jüngere, Arthur, in einer fatal endenden Dreiecksbeziehung landet.

Trotzdem gelingt es Birgit Birnbacher, den Roman nicht zu einer Schwarz-Weiß-Zeichnung werden zulassen und klischeehafte Schlussfolgerungen zu vermeiden. So kann auch Arthur selbst im Gespräch mit seinem Therapeuten lediglich feststellen, dass es die eine einzige, ganz bestimmte Ursache für den Verlauf der Ereignisse nicht gibt: „Sie wollen also hören, wann nun dieser Turn kam. Die Wende, der Zeitpunkt, ab dem es dann bergab ging. Aber so einfach ist das nicht. Sie wollen eine Ursache, aber auf dem Silbertablett habe ich keine.“ Und außerdem, „Wofür die Väter alles herhalten sollen! Also ehrlich: Mein Vater ist gleich abgehauen, dem jetzt die Schuld in die Schuhe zu schieben für das, was bei mir später gelaufen ist, wär irgendwie ganz schön absurd.“

Genau aus diesem Grund liegt der Fokus des Erzählens richtigerweise auch gar nicht so sehr auf den Ereignissen, zu Arthurs Haftstrafe führen, sondern auf der Zeit danach. Gemeinsam mit seinem schrägen Therapeuten Dr. Vogl – „Börd“ – und dessen eigenwilligen Therapiemethoden soll es Arthur gelingen, soll es ihm gelingen, eine neue Hauptfigur zu entwerfen, eine Art „Super-Arthur“, der bei seinen Bewerbungen erfolgreich sein wird. Doch kann eine alternative Hauptfigur wirklich die Lösung sein? Arthur jedenfalls hat das Gefühl, dass ein solches Glanzbild ihn nicht retten wird, sondern „einzig und allein ich an meiner Seite“.

Birgit Birnbacher: Ich an meiner Seite. Roman. Zsolnay Verlag, Wien 2020. 272 Seiten, 23,70 Euro. Auch als e-book erhältlich - www.hanser-literaturverlage.de
Foto: Hanser/Bogensberger Autorenfotos

 

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