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Zuerst die Rösser, dann die Künstler

BUCHBESPRECHUNG / DAS GROSSE FESTSPIELHAUS

29/08/18 Als der Festspielgedanke formuliert war, fehlten am Anfang nur noch die Spielstätten. Die Suche danach im Bezirk von Hellbrunn führten zu nichts. Also fing man mit Provisorien an. Man fragte sich: Wo hat es in der Geschichte Aufführungen im großen Stil gegeben?

Von Werner Thuswaldner

Richtig: Mitten in der Stadt existierten Baulichkeiten, extra errichtet, damit dort Pferde zur Freude des geistlichen Herrschers und Spitzen der damaligen feudalen Gesellschaft tanzten. Inzwischen war die Gesellschaft nicht mehr feudal, aber die Gebäude gab es noch. Freilich waren sie inzwischen zweckentfremdet. In mehreren Anläufen wurden die ehemalige Winterreitschule und die Sommerreitschule so adaptiert dass sie für die Festspiele halbwegs taugten – Clemens Holzmeister hatte seine Hand in dieser Prozedur bald im Spiel und schließlich gab die Nazi-Ästhetik ihren Senf dazu. Wo einst Rösser ein erlauchtes Publikum mit ausgefallen-unnatürlichen Bewegungen ergötzten, sollten nun menschliche Künstler, Sänger, Schauspieler, Musiker, ihr Können zeigen.

In den 1950er Jahren reichten die vorhandenen Baulichkeiten nicht mehr. Mittlerweile hatte Herbert von Karajan das Sagen übernommen, und er wollte sein Wirken in Dimensionen umsetzen, die seiner Genialität angemessen waren. 1956 ging es los. Es wurde nicht lang demokratisch gefackelt. Holzmeister bekam ohne Ideenwettbewerb den Auftrag. Aber ganz so glatt konnte das Vorhaben doch nicht durchgezogen werden. In der Bevölkerung wurde gemurrt, denn es herrschten noch Notzeiten. Nicht alle freuten sich darauf, hinter Absperrungen zuschauen zu dürfen, wie Prominente aus ihren Limousinen steigen würden. Viele Wohnbaracken, die noch existierten, ließen den Bau eines Festspielhauses für eine finanzielle Elite von auswärts in manchen Augen frivol erscheinen. Prompt bekam Landeshauptmann Josef Klaus, ÖVP, bei den nächsten Wahlen einen Dämpfer.

Holzmeister zwängte sich mit seiner Planung in den Raum zwischen heutiger Hofstallgasse und dem Mönchsbergfels. Er ließ 55.000 Kubikmeter Gestein aus dem Berg brechen. Wenn man Gästen der Stadt erklärt, die Achse des Zuschauerraums verlaufe nicht parallel zur Hofstallgasse, sondern im rechten Winkel zu ihr, löst man Ungläubigkeit aus. Das Bühnenhaus lehnte er an die Felswand und kaschierte es so, dass es aussieht, als wäre es Teil des Felses. So wurde damals das Problem der Umweltverträglichkeit gelöst. Holzmeister beherrschte die Dimensionen und verstörte die Salzburger mit seiner, der Tradition verpflichteten Architektur nicht. Die Moderne blieb außen vor.

Der Architekt entsprach den Wünschen der Auftraggeber nach Gigantomanie, indem er eine Bühne mit einer Portalbreite von 30 Metern entstehen ließ und einer Höhe von nur neun Metern – ein flaches Viereck. Nirgendwo auf der Welt gibt es Vergleichbares. Diese Tatsache brachte und bringt Regisseure und Ausstatter ins Schwitzen. Viele krampfhafte Lösungen hat man schon gesehen. Karajans „Ring“ zur Gänze an die New Yorker Met zu transferieren, scheiterte genau an dieser Unvereinbarkeit der Bühnenportal-Formate. „Für Mozart ungeeignet“, hieß das häufig geäußerte Urteil. Nicht von ungefähr wurde mit dem „Rosenkavalier“ von Richard Strauss 1960 eröffnet.

Clemens Holzmeister liebte den Umgang mit den Künstlern. Er beschäftigte eine Schar von ihnen, um sein Haus zu schmücken. Sie schufen Skulpturen, Gemälde, Wandteppiche und Keramiken. Ein soeben erschienenes, sorgfältig gestaltetes Buch über das Große Festspielhaus, eine Initiative der Salzburger Universität, arbeitet besonders diesen Aspekt ausführlich heraus. Es sind Zeugnisse der österreichischen Kunst der fünfziger Jahre. Kokoschka, Hrdlicka, Boeckl, Hoke und viele andere. Wer ist denn Wolfgang Hutter? Ah, richtig, der hatte seinerzeit Einkaufstaschen dekoriert und wurde vorübergehend auch für einen Künstler gehalten. Einer der ganz wenigen Fehlgriffe Holzmeisters, der sich ja mit Recht selbst als Künstler verstanden hatte.

Über all das kann man also in einem Buch über das Gebäude und seinen Kunst-Inhalt nachlesen: Mehrere Fachbereiche der Salzburger Universität haben sich zusammengetan und ein reich illustriertes Buch über das Großes Festspielhaus als Beispiel für einen ungewöhnlichen Theaterbau herauszubringen.

Das große Festspielhaus. Clemens Holzmeisters Gesamtkunstwerk. Kunststandort Salzburg. Herausgegeben von Andrea Gottdang und Ingonda Hannesschläger. Verlag Artbook, Salzburg 2018, € 39,90 – www.artbook.at

 

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