Marketing in Marmor

BUCHBESPRECHUNG / BRANDHUBER / FUSSL / IN STEIN GEMEISSELT

14/11/17 „Mit so großer Unbescholtenheit erfüllte er sein Amt als Hasser von Gefälligkeiten, dass man sagen kann, er liege hier unbestochen.“ DIESE Grabinschrift passt definitiv nicht in unsere Zeit. „Mit so großem Vertrauen, ja sogar Sehnsucht ist er als Richter vor den höchsten Richter gezogen, so dass es ganz offensichtlich war, dass er nicht als Angeklagter gerufen worden war.“

Von Heidemarie Klabacher

Nachvollizehbarer ist da schon diese Inschrift: „Die Front dieses Palastes und seine Flügel, die weithin einzustürzen drohten, hat mit neuen Fundamenten aus Quadersteinen stützen und befestigen lassen Fürsterzbischof Guidobald im Jahre des Herrn 1664.“ So geht Eigenlob! Verdienst nicht ausgedruckt auf brüchigem Papier, sondern gemeißelt in ewigen Stein.

Lateinische Inschriften in und um Salzburg enträtselt das Buch „In Stein gemeißelt. Salzburger Barockinschriften erzählen.“ 137 Bau-, Weih- und Grab-Inschriften kommen im Wortsinn „zu Wort“. Den Verfassern Christoph Brandhuber und Maximilian Fussl geht es nicht allein um die Übersetzung oder die spannenden kulturhistorischen oder soziologischen Hintergründe. Vor allem geht es dem jungen Universitätsarchivar und dem alten Lateinprofessor um die „Inschriftenkultur“, um die sprachliche Kunstfertigkeit in der marmornen Selbstdarstellung - im Leben und im Tod.

Die Kunstfertigkeit des Lateinischen? Diese wissen neben Brandhuber und Fussl vermutlich nur wenige Auserwählte so richtig zu würdigen und zu genießen. Aber auch wer des Lateinischen nicht oder nur (mehr) unvollkommen mächtig ist, wird dieses Buch würdigen, genießen und lieben. Das liegt an der Vermittlungskunst der Autoren, den erhellenden kunsthistorischen Beschreibungen von Roswitha Juffinger und nicht zuletzt an den Fotografien von Hubert Auer. Die technisch brillanten und doch so lebendig atmenden Fotografien machen die mehr oder weniger vom sauren Regen zersetzten Artefakte in einer totgesagten Sprache zu lebendigen Zeitzeugen.

Und viele Inschriften sind ohnehin indoor: „Mit wenigen Worten nur halte ich dich auf, lies sie durch, Wanderer!“, fordert uns Fürsterzbischof Marcus Sitticus auf – im Dom mittels Bodenplatte unter dem Volksaltar: „Das Haus, das ich jetzt bewohne, habe ich unter den hl. Schutzherren der Heimat, Rupert und Virgil, begonnen: Kaum gelange ich zum Dach, und schon werde ich genötigt, zum Fundament zurückzukehren: der Tod befiehlt.“ Latein kann man da lernen, und Stil, und die vergessene Kunst des Sterbens.

Übrigens verschwindet Latein seit jeher aus den Lehrplänen: „Eine vom Salzburger Fürsterzbischof eingesetzte Untersuchungskommission fand heraus, dass 1790 nur mehr ein einziger Professor an der Benediktineruniversität lateinisch vortrug, und dieser hatte die wenigsten Studenten“, schreiben Brandhuber und Fussl. Ursache: das Aufkommen deutschsprachigen Lesestoffes, welcher „iedem Kleinen zu Gebothe steht“.

Was die Inschriften betrifft, war nicht nur der Gebrauch des Lateinischen allein ein Marker für Stil und Niveau. Die Nennung mythologischer Figuren, Götter oder Musen zeugte zusätzlich von der Gelehrsamkeit der Verfasser: Stein gewordene Angeberei? Jedenfalls hat auch die antike Philosophie ihre Spuren im Salzburger Marmor hinterlassen. Wie etwa der Gedanke, das Leben sei ein geliehenes Gut und müsse beim Tod zurückerstattet werden. Zu jeder Inschrift bieten die Autoren neben der Übersetzung denn auch die genaue Auflösung der vielen Abkürzungen, und einen oft umfangreichen kunstgeschichtlichen, philologischen und historischen Kommentar.

Christoph Brandhuber studierte Latein und Geschichte an der Paris-Lodron-Universität Salzburg und ist der Leiter des Universitätsarchivs. Maximilian Fussl studierte Klassische Philologie an der Universität Wien. Er war Assistenzprofessor am Fachbereich Altertumswissenschaften der Universität Salzburg und ist Lehrbeauftragter für Latein an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität.

Der Unbestechliche aus dem Vorspann ist übrigens Johann Caspar von Böcken: Dieser ist am 28. Mai 1733 im 77. Lebensjahr verstorben. Er war Kammerprokurator, Professor der Institutionen an der Benediktineruniversität und schließlich 33 Jahre lang Stadtsyndikus. Er verfasste unter anderem ein Buch gegen die Wilderei. Johann Caspar von Böcken ruht mit seiner Gemahlin Anna Maria Christina von Mezgeren, aus Nürnberg, die 1.200 fl. als Mitgift in die Ehe einbrachte, im Friedhof von St. Peter Gruftarkade IV Ostwand.

Ursula Schachl-Raber (Hg): Christoph Brandhuber, Maximilian Fussl: In Stein gemeißelt. Salzburger Barockinschriften erzählen. uni:bibliothek 6. Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2017. 400 Seiten, 39 Euro – www.muerysalzmann.at
Buchpräsentation von ist heute Dienstag (14.11.) um 18.30 in der Großen Aula -
Bilder: Hubert Auer