Zur Opernbesprechung Viele Beine staksen über die Bühne (22.9.)

23/09/14 Lieber Herr Harb, Herr Kriechbaum und Herr Langwallner,
als mir die Presseschau zur Premierenaufführung der "Zauberflöte" am Salzburger Landestheater überreicht wurde, war ich überrascht auf welchem Niveau sich Teile der Salzburger Musikkritik derzeit bewegen. Drei Beispiele:
- Eine Journalistin hat eine musikhistorische Sensation festgestellt: Mozart hat in seine Zauberflöte eine Figur hineinkomponiert die sich "Tamina" nennt!
 - Ein zweiter scheint in einer anderen Aufführung gewesen zu sein, oder in welcher Vorstellung sang der Schauspielkollege den "Sprecher"? -Korrektur: Teile der Programmheft-Gestalter am Landestheater scheinen die Besetzungsliste der Zauberflöte nicht  hinreichend zu kennen! Verzeihung, Herr Kriechbaum!
 - Einem anderen ihrer Kollegen würde es beileibe nicht schaden einen Grundkurs zum fehlerfreien Umgang mit der deutschen Grammatik zu belegen.
Nach der Lektüre stellen sich mir folgende, grundsätzliche Fragen, die ich gerne an die drei führenden und qualitativ hochwertigsten Salzburger Kulturmedien richten möchte:
1) Kann man von einem Musikkritiker ein Mindestmaß an inhaltlicher Professionalität und grammatikalischer Qualität eines handwerklich fehlerfreien Artikels erwarten oder spielen im sogenannten "Internet-Zeitalter" journalistische Maßstäbe keine Rolle mehr, da sowieso jedem erlaubt ist seine private Meinung öffentlich zu machen, sei sie auch noch so sprachlich-degeneriert?
2) Wäre es nicht ratsam, besonders für einen Rezensenten, die Maßstäbe, die er -für einen subjektiv empfundenen Erfolg/Misserfolg- an eine Aufführung anlegt, nicht auch an sich selbst anzulegen, um den Wert seines Artikels nicht dem eines Kuhfladens anzugleichen?
Ach, aber ach, das ist doch alles halb so wild und kleinkariert, mag sich nun der ein der andere denken; Hauptsache man ätzt ein bisschen, spielt den Schmierfink, versucht sich an hanebüchenen Formulierungen und zieht Vergleiche, die weder der Sache noch dem Inhalt gerecht werden, sondern allein auf Provokation abzielen. Bravo, bravo! Applaus, Applaus!
Reine Provokation auf der Theaterbühne entlockt dem Zuseher seit über 20 Jahren nur noch ein müdes Gähnen, ähnlich öde verhält es sich beim alleinigen Gebrauch dieses Stilmittels in einer Musikkritik. Eine gesunde Direktheit, Bissigkeit und temperamentvolle Subjektivität in selbiger schadet keinem, ein Mindestmaß an Respekt gegenüber dem Werk wie gegenüber dem ausführenden Künstler sollte jedoch auch im größten Ärger eingehalten werden.
Trotz der temporären Verwunderung über einige ihrer Kollegen bin ich gespannt auf Ihre zukünftigen Ergüsse und würde mich auch mal über ein zoologisches Attribut freuen. Ein optisches, welches ein wenig in die zoologische Richtung geht (Karl-Heinz Grasser), durfte ich ja schon einmal erhalten.
Simon Schnorr