Zum Ausstellungsbericht Europa geht gar nicht (8.7.)

21/07/22 Unter dem Titel „Europa geht gar nicht“ bespricht Heidemarie Klabacher die derzeitig gezeigte Sammlungsausstellung Sammlungspolitik. Neuzugänge im Museum der Moderne Salzburg. Schon der Titel des Artikels, der umfangreich aus der Pressemitteilung des Museums zitiert, behauptet einen Sachverhalt, der schlichtweg falsch und möglicherweise dem Umstand geschuldet ist, dass die Rezensentin noch keine Gelegenheit gehabt hat, die Ausstellung persönlich in Augenschein zu nehmen. Denn in dieser wird eine Auswahl an Werken gezeigt, die in den vergangenen sieben Jahren die verschiedenen am Haus betreuten Sammlungen bereichert haben. Vertreten sind Künstler_innen aus Österreich, aber auch internationale Positionen. Die Intention der Ausstellung besteht darin, das vielfältige Spektrum der Neuzugänge exemplarisch aufzuzeigen.
In der Sammlungsstrategie des Museums ist übrigens ausdrücklich festgelegt, dass gerade auch Werke von Künstler_innen gesammelt werden sollen, die sich mit Europa und der europäischen Identität beschäftigen – denn schließlich ist Salzburg geografisch in der Mitte Europas gelegen. Mit der Ausstellung Jasmina Cibic: Most Favoured Nation haben wir kürzlich dargelegt, wie so etwas gehen könnte. Aber es steht natürlich nicht EUROPE FIRST in der Sammlungsstrategie, weil das nicht nur unangemessen, sondern dezidiert falsch wäre. Stattdessen wird eine Erweiterung des Blicks thematisiert und die Absicht formuliert, einen postkolonialen Perspektivenwechsel zu vollziehen. Das ist absolut auf der Höhe der Zeit, und es ist ferner gleichermaßen sinnvoll die „cultural construction of whiteness“ (Kobena Mercer) genauer zu untersuchen, weil dieses Phänomen sowohl die wissenschaftliche Forschung als auch die Kunstwelt beschäftigt. Solange wir nicht farbenblind sind, muss über den Zusammenhang von Herrschaft und Hauptpigmentierung nachgedacht werden. Übrigens meint Erweiterung das, was es bedeutet, nämlich den eigenen, kulturell geprägten Blick kritisch zu befragen und Selbstverständlichkeiten zu überprüfen.
Nuancierung und Nachdenklichkeit sowie Wahrhaftigkeit und Verantwortung sind treffliche Wegweiser sowohl für Kurator_innen als auch für Journalist_innen.
Dr. Thorsten Sadowsky

Thorsten Sadowsky ist Direktor des Museums der Moderne Salzburg