Ein ORF-Hörer als Sprachpolizist

17/02/21 Mit Erstaunen vernehmte ich in den 8-Uhr Nachrichten von Ö1 am Aschermittwoch, was uns der Sprecher da zu Gehör bringte: Der Ätna auf Sizilien „speite“ bei einem Ausbruch hoch in die Lüfte. Bisher hatte ich ja geglaubt, das Verb „speien“ sei ein sogenanntes „starkes Verb“ und hätte daher die Stammformen speien – spie – gespien.
Aber vielleicht stehte die Autorin / der Autor dieser Meldung nur unter Zeitdruck und sehte daher im Duden oder bei google nicht nach, wie das richtig heißen sollte, wenn sie oder er die knapp über 200 starken Verben der deutschen Sprache schon nicht im Kopf besitzte?
Oder hängt sie oder er der Ansicht an, mit diesen unregelmäßigen Verben müsse endlich Schluss sein, denn das Leben sei auch so schon kompliziert genug? (Im Lateinischen waren es übrigens etwa ebenso viele, auch im Englischen sind es mehr als 200; nur die rationalen Franzosen sind schon weiter und flektieren heutzutage nur noch etwa 80 Verben unregelmäßig.)
Mir ist durchaus bewusst, dass starke Verbfomen insbesondere bei seltener verwendeten Wörtern von „regelmäßigen“ zurückgedrängt werden (zB backen – buk/backte), was leider immer öfter nicht nur im ORF, sondern auch in Printmedien zu beobachten ist. Bis das allgemeiner Sprachgebrauch wird, würde es mich angesichts des zweifellos normativen Einflusses der im ORF zu hörenden Informationstexte allerdings freuen, wenn die schönen Formen der starken Verben dort auch weiterhin erklingten (oder doch lieber: erklängen?).
Dr. Werner Riemer