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Große Gefühle, aber kein Büscherl Edelweiß

IM KINO / DIE TRAPP FAMILIE

03/11/15 Traditionsverhaftete Gemüter mag es erstaunen, dass in der Trapp'schen Enkel- und Urenkelgeneration auch schon familiäres Patchwork vorkommt. Da büchst am Heiligen Abend eine pubertäre junge Dame aus der Trapp Family Lounge in Montana aus - und wird von der nostalgischen Familiengeschichte eingefangen.

Von Reinhard Kriechbaum

Und schon sind wir drinnen in der Story, denn Oma Agathe hebt in dem Kaff in den verschneiten Bergen, in der Bahnhofs-Wartehalle, zum Erzählen an: wie das bei ihr damals war, mit dem Tod der Mutter, dem Übersiedeln von Zell am See nach Aigen, mit der Stiefmutter Maria, mit dem Anschluss und der Flucht. Und natürlich mit dem Singen... Merry Xmas in den heutigen USA und die alte Trapp-Story vor dem üppigen Veduten-Portfolio Salzburgs (mit gelegentlichen Set-Ausflügen nach Berchtesgaden, Bad Reichenhall und Umgebung). Herz, was willst du mehr!

Agathe von Trapp, die älteste Tochter des Barons, hat als Neunzigjährige ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Aus diesem Buch speist sich der Film, aus ihrer Perspektive wird die Geschichte erzählt. Regisseur Ben Verbong und seine Drehbuchschreiber Christoph Silber und Tim Sullivan wussten, worauf sie sich einließen und welche Ansprüche zu bedienen sind. „Ironie ist oft nur dazu da, um Abstand zu seinen Gefühlen zu bewahren, und das wollte ich hier nicht“, so Verbongs Bekenntnis zum Herzschmerz. Mit großen Gefühlen will bedient werden, wer sich sowieso zu Weihnachten routinemäßig „The Sound of Music“ reinzieht (und das sind bekanntlich außer den einschlägig notorisch muffelnden Österreichern und Deutschen ganz, ganz viele auf der Welt).

Sie also bekommen alle Seelenfarben angerührt: Es widerspricht nicht dem Genre, wenn man sich alle zehn Minuten vergewissert, ob eh ein Papiertaschentuch griffbereit ist. Das ist dramaturgisch hochprofessionell gemacht. Die Zugeständnisse an das potentielle amerikanische Publikum sind mit durchaus europäischem Geist unter Kontrolle gehalten. Die uralte und die junge „Salzburger“ Agathe teilen sich Rosemary Harris und Eliza Bennett. Beide sind der Traum der jeweils anderen Generationen. Matthew Macfadyen ist der Baron von Trapp – einer, der zu kiefeln hat an Sozial-, Prestige- und Geldverlust nach Ende der Monarchie, seiner eigentlichen Lebenswelt.

Was Maria von Trapp anlangt, so ist sie mit Yvonne Catterfeld fast ein wenig kantig besetzt. Kein Kokettieren mit der Kloster-Vergangenheit, überhaupt kommt sie fast wie eine Nebenfigur ins Spiel. Dass sie sich mit der ältesten Stieftochter ausgerechnet im Kirchengestühl ernsthaft austauscht und aussöhnt, gehört zu den leisen Pointen. Cornelius Obonya als vom Nazi-Geist infizierter Chauffeur Konrad ist jener, über den die Verbindung zur Zeitgeschichte hergestellt wird.

Ein Knackpunkt eines solchen Films ist die Musik. Bloß kein Kitsch, lautete die Devise, die peinlichst eingehalten wurde. Als Kammersängerin Lotte Lehmann hat man die Sopranistin Annette Dasch engagiert, und den singenden Kindern verlieh der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor unter Wolfgang Götz das Profil. „Edelweiß“ ist ganz, ganz weit weg, und dieser Film lässt manchen Musical-Kitsch vergessen, auch wenn er geradezu wollüstig auf Emotion setzt.

Dem Casting, den Gesichtern, den Frisuren hat man viel liebevolle Aufmerksamkeit geschenkt, und die Locations sind betörend authentisch nachgebaut. Den Platz fürs (neu gebaute) Buswartehäuschen an der Straße nach Abtsdorf, mit weiten Wiesenflächen, Alpenvedute und kleinem Wäldchen – so einen Platz aufzustöbern, muss einem Filmteam erst gelingen.

Salzburg und Bayern haben natürlich über die kommerzielle Filmförderung ordentlich beigetragen zu diesem Film. Man kann sich ausmalen, wie gut die touristische Umwegrentabilität da funktionieren wird. Bei allen Vorbehalten gegen diese Art von weihnachtlichem Zielgruppen-Gefühlskino: Man braucht sich als Salzburger nicht fremd zu schämen.

Und das Exil führt, im Gegensatz zum Filmmusical, nicht Halbschuhtouristen über den Untersberg in die Schweiz: Hier geht’s durch die Aigner Allee auf und davon, während die Nazi-Schergen beginnen, die Villa zu verwüsten.

Heute Dienstag (3.11.) abends ist für geladene Gäste Österreich-Premiere im Mozartkino Salzburg, um 20.15 Uhr. Vorher gibt es für Zaungäste sicherlich manche Schauspieler auf dem Red carpet zu sehen (ab 19.15 Uhr) - Kinostart ist am 13. November - www.The-Trapp-Family.com
Bilder: Constantin

 

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