Was ist schon Lebensglück?

FILM-URAUFFÜHRUNG / DIAGONALE / DORINGER

23/03/23 Im Jahr 2008 war es. Da hat Marko Doringer, damals noch weitgehend ein No-name-Filmer, mit Mein halbes Leben die Herzen der Jury und des jungen Cineasten-Publikums quasi im Flug genommen: Der Salzburger hat damals den Diagonale-Hauptpreis in der Sparte Dokumentarfilm abgeräumt.

Von Reinhard Kriechbaum

Mit diesem Film hat Marko Doringer auch quasi sein Lebensthema entdeckt: sein Leben nämlich, an dem er zweifelt und leidet zum Gotterbarmen. Das filmische Rezept dieser Serie von Autobiographien, deren vierte Folge Dein Leben - Mein Leben am Mittwoch (22.3.) bei der Diagonale in Graz uraufgeführt wurde: Marko Doringer macht sich als notorischer Schwarzseher auf die Suche nach Freunden und befragt sie, wie es ihnen denn so geht, wie sie mit ihren Familienverhältnissen, mit ihrem Beruf, mit dem Leben überhaupt zurande kommen. Die spontanen Antworten bewegen sich zuerst stets auf dem „Gut“ bis „Sehr gut“-Level. Aber Marko Doringer klemmt sich mit seiner Kamera dahinter, fragt nach über Monate und sogar Jahre hinweg – und da zeigt sich, dass auch die jeweils Gleichaltrigen, nun alle an die Fünfzig, nicht ganz so geradlinig und unirritiert unterwegs sind.

Was Marko Doringer schon in Mein halbes Leben ziemlich gut konnte, hat er in den weiteren Folgen Nägel mit Köpfen (2013) und Mein Wenn und aber (2021) professionalisiert: genaues Nachfragen, Aufstöbern der wunden Punkte – aber dann doch kein Versinken in kollektive Weltuntergangsstimmung, sondern ein pfiffiges Erzählen mit latenter Selbstironie seiner generation gegenüber. Und vor allem ein erfrischender Schuss spontaner Situationskomik. Auch aus der nun uraufgeführten Doku Dein Leben – Mein Leben geht man mit dem angenehmen Gefühl hinaus, dass es anderen Leuten auch nicht immer so blühend geht, aber das Leben bei aller wohl begründeten Hoffnungslosigkeit doch nicht gar so ernst ist.

Doringer und seine Partnerin Marlene nebst dreijähriger Tochter Elsa. „Glaubst Du, machen meine Depressionen unsere Familie kaputt?“, fragt Doringer? Nein, sagt sie nach einigem Nachdenken, „aber unser Glück“. Für Robert, in Oberalm daheim, ist das Beziehungsglück schon seit zwei Jahren perdu, aber das Verhältnis zu den Kindern ist durch und durch positiv. Mit dem Filmemacher eint ihn, dass das Verhältnis zu den Altvorderen ziemlich hoffnungslos zerrüttet ist. Doringers am Sohn herumnörgelnden Vater kennen wir ja schon vom ersten Film an, in dem er seinem Sohn empfohlen hat, die Filmkamera zu verkaufen und mit dem geld in einen vernünftigen Beruf zu starten...

Der jetzt in Berlin als Oldtimer-Mechaniker erfolgreiche Wolfgang hat mit seiner Partnerin Franziska keine Kinder. Die beiden sind glücklich miteinander, aber er hat vom Beruf die Schnauze voll. Der gemeinsame Aufbruch in ein neues Leben, eine mehrjährige Europa-Reise im zum Wohnmobil umfunktionierten Feuerwehrauto, lässt aber auch verdächtig lange auf sich warten. Bemerkenswert wenig Irritation im Leben von Olga und Flo. Die tanzen nicht nur aus der Reihe, weil sie verheiratet sind. Er scheint recht zufrieden als Vater zweier Kinder und Hausmann, während sie doch einen Job findet, der zwar schlaucht, aber auch erfüllt. Das könnte noch eine Weile gut gehen mit den Vieren...

Beziehungskisten also, und eine große Frage auch: Was geben wir der nächsten Generation weiter? Eines ist gewiss: Marko Doringer & Co sind Eltern, die ihre Liebe zu den Kindern deutlich offener leben und zeigen als ihre Altvorderen. Das macht viel Hoffnung.

Die Diagonale in Graz dauert noch bis Sonntag (26.3.) - www.diagonale.at
Bilder: Filmstills