Zwischen Salzachufer und Opiumhöhle

DIAGONALE / GRAZ / DIE BESTE ALLER WELTEN

31/03/17 Hm, „Die beste aller Welten“, ausgerechnet Lehen? Der 25jährige Salzburger Regisseur Adrian Goiginger meint in seinem autobiographischen Film nicht den Stadtteil an sich, sondern seine Kindheit dort. Und die sollte sich, in einem denkbar unvorteilhaften und ungesicherten Milieu, tatsächlich als die denkbar Beste für ihn herausstellen.

Von Reinhard Kriechbaum

So unglaubwürdig es klingt: Goigingers Mutter, über viele Jahre drogenabhängig, hat es mit unsäglicher Stärke verstanden, ihren Sohn inmitten des allergrößten Schlamassels Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Das war in den 1990er Jahren, der kleine Adrian war Volksschüler. Wüste Gestalten sind daheim ein und ausgegangen. Der „Grieche“, der sich schließlich einen Joint zu viel gesetzt hat, nahm regelmäßig den Weg über den Balkon. Der Stiefvater, der sich hier mehr oder weniger vor der Polizei versteckte, hatte eine kriminelle Vergangenheit. Selbstverständlich hatte das Jugendamt einen Blick auf die alleinerziehende Mutter und ihren Sohn – aber Spuren der nächtlichen Rauschgift-Treffen wurden eilends getilgt, bevor der Beamte auf Nachschau kam.

Adrian Goiginger ist für seinen famosen Film bei der vergangenen Biennale mit dem Kompass-Perspektive-Preis ausgezeichnet worden. Und gestern Donnerstag (30.3.), bei der Österreichischen Erstaufführung im Rahmen der Grazer Diagonale, war die Begeisterung der sich um Plätze drängenden Zuschauer quasi vorprogrammiert.

Nichts habe er erfunden, viele Szenen hätten sich eben so abgespielt, wie er es im Film zeigt, versichert der Regisseur. Mit „Die beste aller Welten“ ist der seltene Fall geglückt, dass Authentizität wohl gewahrt, aber mit kraftvoller filmischer Hand gebändigt und in eine starke „Story“ zwischen idyllischem Salzachufer und häuslicher Opium-Höhle übergeführt wurde. Emotion kocht auf beim Zuschauer, nicht nur beim anrührendem Ende. Gerade im Dramaturgischen hat das Teamwork wohl bestens geklappt.

„Wenn man in ein Kino geht, will man echte Menschen sehen, keine Schauspieler“, sagt Goiginger. Sein alter Ego, Jeremy Miliker, war ein Glücksgriff. Typ verträumter Lausbub, schlagfertig und schlau, und doch ganz schutzbedürftiges Kind. Eine Fantasywelt hat sich dieser Knabe zurecht gelegt. Wenn das Delirium rundum gar zu heftig und bedrohlich wird, flüchtet er dort hinein. Verena Altenberger spielt die Mutter, die auf jede Antwort des Jungen auch in mehr als brenzligen Situationen eine irgendwie positive Antwort bereit hält. Weißt Du eigentlich, was Sucht ist?“, fragt die Mutter den Kleinen. „Ja klar. Sucht is wenn ma wos hot und des donn unbedingt wieder hobn muaß.“ Verena Altenberger: Sie kommt fast immer in Nahaufnahme ins Bild, Dass die Geschichte in eine Beinahe-Apokalypse steuert, nimmt nicht Wunder, aber selbst in der zugespitztesten Situation hält man dieser Mutter-Kind-Beziehung als Zuschauer bedingungslos die Daumen.

Die Geschichte wird aus der Perspektive des Kindes erzählt, auf seiner Augenhöhe geführt ist deshalb die Handkamera (Yoshi Heimrath, Paul Sprinz). Das ist ein sehr entscheidender Punkt.

Adrian Goiginger ist derzeit Student der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein Film berühre „mit seinem sensibel inszenierten, herausragenden Ensemble, ohne kitschig zu werden, und geht mit seiner unprätentiösen Bildgestaltung unter die Haut, ohne voyeuristisch zu sein“, so die Berliner Jury.

Ungemein authentisch wirkt der Film auch im Sprachlichen (Verena Altenberger ist gebürtige Pongauerin). Entsprechen die Typen der Salzburger Drogenszene in den 1990er Jahren? Wird schon so sein, in Adrian Goiginger werden sich die Bilder des Selbsterlebten eingefressen haben. Jedenfalls: ein starker Film.

diebesteallerwelten.at
Bilder: Ritzl Film (3); dpk-krie (1)