Kunst-Schönheit in einer Teufelsgesellschaft

IM PORTRÄT / LÁSZLÓ KRASZNAHORKAI

26/07/21 Auch das gehört zur Folklore rund um die Festspieleröffnung: Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird immer in Salzburg überreicht. Heuer an den ungarischen Autor László Krasznahorkai.

„Von Beginn an war der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur ein Bekenntnis zur Literatur und zu Europa – und gleichzeitig Ausdruck des Respekts vor Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, so Staatssekretärin Andrea Mayer bei der Überreichung heute Montag (26.7.) im Mozarteum. Die Ehrung für László Krasznahorkai gelte seinem einzigartigen, eigensinnigen Werk, mit dem er die Kunst des Romans erweitert, verändert und immer wieder neu erfindet“. Auch wenn in László Krasznahorkais Prosa sich die Abgründe und Widersprüche unserer Gegenwart auftun, sei sie von „irritierender, berückender Schönheit“.

Der Literaturwissenschaftler Klaus Kastberger benannte in seiner Laudatio die Gegensätze in den Erzählwelten Krasznahorkais. „Auf der einen Seite bietet sich in seinen Büchern ein oft nur noch verwehtes Loblied auf eine fast schon göttlich zu nennende Schönheit vorwiegend in der europäischen Musik. Auf der anderen Seite ist da aber stets auch die Beschreibung einer teuflischen Gesellschaft, die von solch göttlichen Funken in der Kunst wie überhaupt von allen Formen kultureller Traditionsbildung rein gar nichts hält. Eine solche Gesellschaft kann jederzeit von Demagogen und Ideologen verführt werden. Sie hat keinen Halt und ist dem Nichts ausgesetzt, das sie umgibt.“

Aus der Jurybegründung: „László Krasznahorkai ist ein Meister der literarischen Intensität. In komplex verflochtenen Sätzen beschreibt er in seinen Erzählungen und Romanen heruntergekommene Wirklichkeiten, enttäuschte Hoffnungen sowie die Gewalt gesellschaftlicher Zusammenhänge. Er entwirft verstörende Panoramen der ungarischen Kleinstadt, begibt sich auf Expeditionen in weit entfernte Weltgegenden und kehrt doch immer wieder zu den Verhältnissen seines Heimatlandes zurück. Krasznahorkai ist ein wahrhaft europäischer und ein philosophischer Autor: Gewaltige Visionen einer anderen Welt durchziehen seine Bücher, Heilsversprechen bauen sich auf und stürzen in sich zusammen. In den Ritzen der Melancholie aber nistet der Humor. Ganz so, als würde es sich dabei um den eigentlichen Agenten eines freieren Lebens handeln.“

Der 1954 geborene Autor lebte nach 1987 für längere Zeit in Berlin und in den frühen 1990er Jahren in China, der Mongolei und Kyōto. Er verbrachte auch eine Zeit in der Wohnung von Allen Ginsberg in New York, der ihn auch beim Schreiben beriet. Krasznahorkai lebt jetzt abwechselnd in Pilisszentlászló in der Nähe von Budapest sowie in Berlin und Triest. Im Sommersemester 2008 hatte er eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin. Im Jahr 2014 wurde er mit dem America Award in Literature ausgezeichnet im jahr darauf erhielt er den Man Booker International Prize. Die Vorsitzende der Jury Marina Warner nannte ihn damals „einen visonären Schriftsteller von außergewöhnlicher Intensität, dessen sprachlicher Ausdruck die Beschaffenheit der heutigen Existenz in Szenen einfängt, die besorgniserregend, befremdlich, erschreckend komisch und oft überwältigend schön sind.“

Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird seit 1965 jährlich für ein literarisches Gesamtwerk vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Zuletzt ging der Preis an Karl Ove Knausgård (2017), Zadie Smith (2018), Michel Houellebecq (2019) und Drago Jančar (2020). (BMKOES)

Bild: HBF/Pusch